Europa kämpft unterdessen mit dem gegenteiligen Problem – es hat seine Verteidigung in fremde Hände gelegt.
Als Russland im Februar 2022 die Grenze zur Ukraine überschritt, ahnten viele, dass für die Waffenhersteller bessere Zeiten anbrechen würden. Nach mehr als drei Jahren ist nun klar, dass dies der Beginn des größten Waffenbooms seit dem Ende des Kalten Krieges ist. Dieser wird auch durch die Befürchtungen einer möglichen chinesischen Invasion Taiwans und den heißen Konflikt Israels mit der muslimischen Welt angeheizt.
Der globale Waffenmarkt ist damit zu einer Arena geworden, in der einzelne Unternehmen und Länder hart miteinander konkurrieren.
Langfristig ist Washington führend. Laut dem Stockholmer Institut SIPRI standen die USA in den letzten fünf Jahren für 43 Prozent der weltweiten Waffenexporte, was mehr ist als die acht größten Exporteure zusammen. Und im Vergleich zu den Jahren 2015 bis 2019 haben sie ihre Auslandsverkäufe um 21 Prozent gesteigert.
Russland, traditionell der zweitgrößte Exporteur, erlebt hingegen einen Exportkollaps (um 64 Prozent), da es vorrangig seine eigene Armee versorgt. Damit ist es in der Rangliste hinter Frankreich auf den dritten Platz zurückgefallen.
Hier muss jedoch hinzugefügt werden, dass Moskau zwar nicht viele Waren auf dem globalen Markt verkauft, die russischen Rüstungskapazitäten jedoch enorm sind und sich seit Beginn des Krieges vervielfacht haben. Ein detaillierter Bericht wurde kürzlich vom Magazin Economist veröffentlicht, das darlegte, dass viele Fabriken dort im Dauerbetrieb arbeiten.
Einer der obersten NATO-Befehlshaber erklärte gegenüber dem Magazin, dass Russland im Jahr 2025 etwa 1.500 Panzer produzieren werde, während Amerika nur 135 schaffen werde. Ähnlich verhält es sich mit gepanzerten Fahrzeugen oder der für die Ukraine wichtigen Artillerie-Munition.
Für die Zukunft bedeutet dies, dass Moskau derzeit zwar nur wenig exportiert, nach einem möglichen Waffenstillstand aber neben der Auffüllung seiner Lager auch massiv auf die Exportmärkte zurückkehren könnte.
Riesige Nachfrage nach koreanischen Produkten
Das Bild des Waffenmarktes wäre auch nicht vollständig, wenn wir uns nur auf die aktuellen Exporttabellen beschränken würden. Für die Waffenhersteller sind nämlich neue Aufträge entscheidend, die eine sichere Absatzgrundlage für die Zukunft darstellen, sodass die Unternehmen in neue Kapazitäten investieren und expandieren können.
Hier tritt ein überraschender Aufsteiger aus Asien in den Vordergrund.
Südkorea war vor einem Jahrzehnt vor allem für Autos und Elektronik bekannt, doch heute macht es sich auch einen Namen im Zuge des Rüstungsbooms. Gemessen an der Anzahl der bestellten Hauptwaffensysteme liegt es an zweiter Stelle hinter den Vereinigten Staaten. In mehreren Kategorien, wie beispielsweise bei Panzern, übertrifft es diese sogar.
Im Jahr 2022 unterzeichnete es mit Polen Verträge im Wert von 22 Milliarden Dollar – über die Lieferung von 180 K2-Panzern, fast 700 Haubitzen, 48 FA-50-Kampfflugzeugen und fast 300 K239-Raketenwerfern.
Das Magazin Economist merkt an, dass der Vorteil Südkoreas darin besteht, dass es relativ schnell und zu einem guten Preis Produkte herstellen kann, die den Standards der Nordatlantischen Allianz entsprechen.
Es verkauft jedoch nicht nur Waffen an Polen, sondern auch an die Philippinen, Indien, Saudi-Arabien, Peru und Rumänien. Und es bewirbt sich um einen 17-Milliarden-Auftrag Kanadas zur Lieferung von U-Booten.
Der enorme Aufstieg der Südkoreaner wird auch durch die Zahlen an der Börse dokumentiert. Der Kurs der Aktien des Unternehmens Hyundai Rotem, das Panzer und Haubitzen herstellt, hat sich seit Kriegsbeginn verzehnfacht. Der Wert des Unternehmens Hanwha Aerospace, das Artillerie- und Raketensysteme herstellt, ist seitdem um rund zweitausend Prozent gestiegen.
Auch ein erfahrener Händler klettert nach oben
Ein weiterer großer Sprung ist die Türkei. Obwohl es noch nicht zu den Top 10 der Exporteure gehört, hat es laut dem Magazin Economist in den letzten fünf Jahren seine Waffenexporte von zwei auf sieben Milliarden Dollar gesteigert.
Bayraktar-Drohnen tauchen regelmäßig an der ukrainischen Front auf, wobei Kiew sie vor allem zu Beginn des Krieges wirklich massiv eingesetzt hat. Das Angebot der Türkei umfasst jedoch nicht nur Drohnen, sondern auch gepanzerte Fahrzeuge, Panzer ähnlich denen Südkoreas, Artillerie-, Raketen- und Luftabwehrsysteme sowie Kriegsschiffe, Kampfflugzeuge und Hubschrauber.
Ankara hat dabei einen ähnlichen Vorteil wie Seoul – es produziert zu einem angemessenen Preis Waffen nach NATO-Standards und ohne die verschiedenen Bedingungen, die oft mit amerikanischen oder europäischen Verträgen einhergehen.
Im Vergleich zu Südkorea fehlt es der Türkei jedoch noch an Reputation. Dies zeigten zumindest Ausschreibungen in Malaysia und auf den Philippinen, bei denen koreanische Produkte den Zuschlag erhielten.
Ali Bakir vom amerikanischen Think Tank Atlantic Council stellte fest, dass die Türkei zwar „wettbewerbsfähige Preise, modernste Technologie und nachgewiesene Effizienz bietet, aber immer noch ein Neuling (auf dem Markt) ist“.
Und was ist mit Europa?
Interessant ist auch ein Blick darauf, wer Waffen kauft. Auf den ersten Blick ist klar, dass die Ukraine an der Spitze steht. Sie bezieht Waffen von mehreren westlichen Verbündeten, insbesondere aus den USA.
Aber auch andere Staaten des alten Kontinents importieren Waffen in großem Umfang. Die europäischen NATO-Mitglieder importierten bis zu 64 Prozent aus den USA.
Betrachtet man die Selbstversorgung des alten Kontinents, so wird bei vielen Waffensystemen etwa so viel importiert, wie „zu Hause“ produziert wird. Nur 51 Prozent der Kampfflugzeuge in den europäischen Armeen stammen aus lokaler Produktion. Bei Artillerie und gepanzerten Fahrzeugen ist die Situation um einige Prozentpunkte besser. Das schlechteste Ergebnis (32 Prozent) verzeichnet Europa bei Raketensystemen.
Der alte Kontinent befindet sich in einer schwierigen Lage. Nachdem es jahrelang seine eigene Verteidigung unterschätzt hat, investiert es heute Hunderte von Milliarden Euro in seine Armeen. Die einzelnen NATO-Mitglieder haben zugesagt, ihre Verteidigungsausgaben auf fünf Prozent des BIP zu erhöhen, und auch die Europäische Kommission mobilisiert im Rahmen der Initiative „Readiness 2030“ 800 Milliarden Euro zur Unterstützung der Rüstung.
Wenn dieses Geld jedoch an ausländische Unternehmen fließt, profitiert die lokale Wirtschaft nicht von der steigenden Staatsverschuldung.
Obwohl die Kontroversen darüber, ob die Verteidigung zu einem neuen Motor des europäischen Wachstums werden kann, anregend sind, ist es in der Union ein großes Problem, etwas Neues aufzubauen. Und das nicht wegen fehlender Gelder.
Die Rüstungsunternehmen teilen mit, dass ihnen nach wie vor langfristige Aufträge fehlen, für die es sich lohnen würde, in großem Umfang in den Aufbau neuer Kapazitäten zu investieren. Die bestehenden Kapazitäten sind bereits voll ausgelastet, aber beim Aufbau neuer Anlagen müssen Investoren ein deutlich höheres Risiko eingehen. Und davon überzeugt sein, dass sich ihre Investition auszahlt.
Einige führende Politiker, wie beispielsweise der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius, weisen darauf hin, dass zwar bereits langfristige Verträge mit europäischen Herstellern abgeschlossen werden, diese jedoch ihren Verpflichtungen nicht nachkommen und die Produktionssteigerung nur langsam voranschreitet.
Der Grund dafür ist jedoch in Brüssel zu suchen. Die Rüstungsunternehmen weisen seit Jahren darauf hin, dass ihnen durch das strenge regulatorische Umfeld die Hände gebunden sind. Vor allem Umweltvorschriften verlängern den Bau neuer Hallen und Fabriken – dort, wo mit Sprengstoffen gearbeitet wird, kann allein die Erledigung der Formalitäten Jahre dauern.
In Kombination mit der Energiepolitik der EU, die Strom für die Schwerindustrie verteuert, und mit Klimaregulierungen wie EU ETS, CBAM oder Euro 7, die den Aufbau von Lieferketten erschweren oder die Logistik verteuern, werden Investitionen in neue Kapazitäten riskant und oft unrentabel.