Am Donnerstag fand im Weißen Haus ein wichtiges Treffen zwischen dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump und dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan statt.
Nach sechs Jahren Unterbrechung der diplomatischen Beziehungen auf höchster Ebene versuchten beide Staatschefs, komplexe Streitigkeiten beizulegen, die sich auf Militärtechnologie im Wert von Milliarden Dollar, Energiesicherheit und die Beendigung der Konflikte im Nahen Osten beziehen.
Sechsjähriger Streit um die modernsten Kampfflugzeuge der Welt
Erdogan reiste mit einem klaren Ziel nach Washington: den Zugang zum F-35 Lightning II-Programm zurückzugewinnen. Türkei wurde nämlich im Juli 2019 aus diesem prestigeträchtigen Programm ausgeschlossen, nachdem es das russische Luftabwehrsystem S-400 Triumf für 2,5 Milliarden Dollar gekauft hatte – eine Entscheidung, die Washington als Sicherheitsrisiko für die NATO-Technologie ansah.
Dabei hatte die Türkei rund 1,6 Milliarden Dollar in das F-35-Programm investiert und sollte 100 Flugzeuge erhalten. Darüber hinaus stellten türkische Unternehmen wichtige Komponenten für das gesamte Programm her, darunter zentrale Teile des Rumpfes. Ihr Ausschluss erforderte eine kostspielige Umstrukturierung der gesamten Lieferkette.
„Wir werden über die F-35, die Halkbank und eine ganze Reihe von Themen sprechen“, sagte Erdogan vor dem Betreten des Weißen Hauses und spielte damit auf die türkische Staatsbank an, die wegen Verstößen gegen die Sanktionen gegen den Iran von den USA angeklagt ist.
Trump zeigte sich vor den Verhandlungen optimistisch. „Ich gehe davon aus, dass ich die Sanktionen gegen die Türkei fast sofort aufheben könnte, wenn wir ein gutes Treffen haben“, sagte er.
Das Energieschachbrett und russisches Öl
In einem der spannendsten Momente des Treffens forderte der US-Präsident seinen Amtskollegen direkt auf, den Kauf von russischem Öl einzustellen. „Ich möchte, dass er den Kauf von russischem Öl einstellt“, sagte Trump.
Für die Türkei stellt dies jedoch eine komplexe Herausforderung dar. Das Land importiert jährlich etwa 25 Millionen Tonnen russisches Öl und 15 bis 20 Milliarden Kubikmeter Erdgas, was einen erheblichen Prozentsatz seines Energiebedarfs deckt. Gleichzeitig behält Ankara jedoch seine strategische Unabhängigkeit bei, da es auch die Ukraine mit Lieferungen von Bayraktar TB2-Kampfdrohnen unterstützt.
Erdogan hat bisher nicht direkt auf diese Herausforderung reagiert, aber seine Haltung zur Energiepolitik wird für die künftigen amerikanisch-türkischen Beziehungen von entscheidender Bedeutung sein.
Durchbruch in Gaza
Die dramatischste Erklärung betraf den Konflikt in Gaza. Trump sagte mit unverhohlenem Optimismus: „Ich glaube, wir stehen kurz vor einer Einigung. Viele Menschen sterben, aber wir wollen die Geiseln zurückholen.“
Am Dienstag stellte Trump den arabischen und muslimischen Führern außerdem einen ehrgeizigen 21-Punkte-Friedensplan vor, der einen sofortigen Waffenstillstand, die Freilassung aller Geiseln, den schrittweisen Abzug der israelischen Streitkräfte und die Bildung einer internationalen arabischen Militärmacht zur Kontrolle des Gazastreifens für drei Jahre vorsieht. Der Plan sieht auch den vollständigen Ausschluss der Hamas aus der Verwaltung des Gebiets und einen massiven Wiederaufbau im Wert von mehreren zehn Milliarden Dollar vor.
Erdogan, der die israelischen Aktionen in Gaza wiederholt als Völkermord bezeichnet hat, soll ein wichtiger Partner bei der Umsetzung eines Friedensabkommens sein. Darüber hinaus hat die Türkei im Mai den Handel mit Israel ausgesetzt, und ihr Präsident fordert eine internationale Untersuchung von Kriegsverbrechen.
Erdogans unerwartete diplomatische Geste
In einem überraschenden Moment erklärte Erdogan seine Bereitschaft, „alles Notwendige zu tun“ in Bezug auf das griechisch-orthodoxe Seminar auf der Insel Heybeliada – ein Thema, das seit vielen Jahren eine Quelle der Spannungen zwischen Ankara und der griechisch-orthodoxen Welt ist.
Die Staatschefs diskutierten auch über potenzielle Handelsabkommen im Wert von mehreren zehn Milliarden Dollar, darunter umfangreiche Käufe von Boeing-Flugzeugen. Trump kündigte außerdem einen Plan zur Umverteilung der Zolleinnahmen zur Unterstützung amerikanischer Landwirte an.
Sie diskutierten auch über das Patriot-System als Alternative zu russischen Verteidigungssystemen und über die Fortsetzung der Lieferungen von F-16 Viper im Wert von 23 Milliarden Dollar.
Trump deutete bei dem Treffen geheimnisvoll die Möglichkeit einer „bedeutenden Ankündigung” in Bezug auf Syrien an, wobei beide Staatschefs derzeit in ihrer Unterstützung der syrischen Zentralregierung einig sind. Dies stellt ebenfalls eine dramatische Veränderung gegenüber der Zeit dar, als Syrien die Hauptursache für amerikanisch-türkische Streitigkeiten war.
(reuters, sie)