Syrien wählte: Nur zwei Christen unter den 140 Abgeordneten

Eine Million Christen Syriens sind im neuen Parlament kaum vertreten. Die Ankündigung einer "ausgewogenen Regierung" sorgt deshalb für Skepsis.

In Syrien sind die Ergebnisse der ersten Parlamentswahl seit dem Sturz von Bashar al-Assad bekanntgegeben worden – und sie zeichnen ein klares Bild der politischen Machtverhältnisse im Land. Während sunnitische und konservativ-islamische Kräfte die Mehrheit der Sitze errangen, sind Frauen und religiöse Minderheiten nahezu ausgeschlossen. Besonders auffällig: Von den 140 neu vergebenen Mandaten entfallen nur zwei auf Christen. Beobachter sehen darin ein alarmierendes Zeichen für die Zukunft der religiösen Vielfalt in Syrien. Zur Erinnerung: Österreich förderte Syriens Übergangsregierung mit mehr als 19 Millionen Euro.

Das neue Parlament setzt sich aus Vertretern von 50 Wahlbezirken zusammen. Sechs Mandate gingen an Frauen, vier an Angehörige der alawitischen Minderheit – der religiösen Gemeinschaft, der auch der gestürzte Präsident Assad angehörte – und lediglich zwei an Christen. „Dieses Ergebnis spiegelt nicht die gesellschaftliche Realität Syriens wider“, sagte der Sprecher der Wahlkommission bei der Verkündung in Damaskus. In vielen Regionen hätten Frauen und Christen aktiv am politischen Leben teilgenommen, ihre geringe Vertretung sei deshalb „besorgniserregend“.

Die Wahl selbst erfolgte nicht durch direkte Volksabstimmung. Stattdessen bestimmten regionale Gremien rund 6000 Wahlleute, die anschließend die Abgeordneten wählten – ein Verfahren, das von internationalen Beobachtern als undurchsichtig und politisch steuerbar kritisiert wurde. Dennoch spricht die Übergangsregierung von einem „entscheidenden Schritt“ im Reformprozess nach dem Umbruch im vergangenen Dezember.

Skepsis gegenüber Ankündigung einer Ausgewogenheit

Übergangspräsident Ahmed al-Sharaa, der die Nach-Assad-Ära anführt, kündigte an, bei der Ernennung weiterer 70 Mitglieder – also eines Drittels des künftigen 210 Sitze umfassenden Parlaments – „auf Ausgewogenheit zu achten“. Doch Skepsis über seine Absichten bleibt groß. Al-Sharaa war einst ein radikaler Islamist und galt in den 1990er Jahren als führender Kopf einer militanten Gruppierung, die enge Verbindungen zu Al-Qaida-Zellen in Irak und Jordanien pflegte. Erst nach Jahren im Exil kehrte er im Zuge des Machtvakuums nach Assads Sturz nach Syrien zurück – mit der Unterstützung sunnitischer Stämme und konservativer Geistlicher. Heute gibt er sich als Pragmatiker, doch viele in Syrien und im Westen zweifeln an seiner Läuterung.

Christliche Vertreter, die über Jahrzehnte hinweg eine bedeutende Rolle in Verwaltung, Wissenschaft und Kultur spielten, warnen nun vor einer politischen Marginalisierung. „Zwei Sitze für mehr als eine Million Christen sind ein fatales Signal“, sagte ein Vertreter der syrisch-orthodoxen Kirche. In kirchlichen Kreisen wächst die Sorge, dass das Land auf eine neue religiöse Einseitigkeit zusteuert, dass die Hoffnungen auf ein pluralistisches Syrien endgültig zerbrechen.

Österreichs Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (NEOS) sorget erst vor wenigen Monaten dafür, dass Syrien 19,3 Millionen Euro als Förderung erhält. „Die Gewalteskalation an der Küste Anfang März hat vor Augen geführt, wie wichtig es ist, dass die neue syrische Führung alle Bevölkerungsgruppen in den Übergangsprozess einbindet. Es ist jetzt wesentlich, dass die Gewaltexzesse seriös und von unabhängiger Seite untersucht und Konsequenzen gezogen werden“, hielt das Wiener Außenministerium (BMEIA) dazu im März vor der Geber-Konferenz fest. Und: „Nach 14 Jahren Krieg sind in Syrien 16,7 Millionen Menschen, die Mehrheit davon Frauen und Kinder, auf humanitäre Hilfe angewiesen. Über 12 Millionen wurden entweder intern vertrieben oder sind ins Ausland geflüchtet“. Oberstes Ziel müsse daher sein, „dass die syrische Zivilbevölkerung wieder Perspektiven vor Ort hat und eine nachhaltige Rückkehr Geflüchteter möglich ist.“