Seit November 2024 können Menschen in Deutschland ihr Geschlecht per einfacher Erklärung beim Standesamt ändern oder den Eintrag ganz streichen lassen. Nach Angaben der Berliner Senatskanzlei haben bis Oktober 2025 bereits 2407 Berliner von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht.
Das Gesetz, das am 1. November 2024 in Kraft trat, markierte einen tiefgreifenden Wandel im deutschen Personenstandsrecht. Statt psychologischer Gutachten oder gerichtlicher Verfahren reicht nun eine persönliche Erklärung, um den Eintrag im Personenstandsregister zu ändern. Der Verwaltungsaufwand ist minimal: Für 35,50 Euro kann man beim örtlichen Standesamt das eigene Geschlecht wechseln oder ablegen, hinzu kommen Gebühren für die Anpassung der Ausweisdokumente.
Wie eine parlamentarische Anfrage der AfD an die Senatskanzlei ergab, wechselten 1420 Berliner ihr Geschlecht von männlich zu weiblich oder umgekehrt. Besonders häufig geschah das in den Bezirken Friedrichshain-Kreuzberg (181 Fälle) und Neukölln (172 Fälle). Weitere 488 Personen entschieden sich für die Eintragung „divers“ – also weder männlich noch weiblich. Auch hier lagen die Bezirke Pankow (69 Fälle) und Neukölln (62 Fälle) vorn, berichtet die Berliner Zeitung.
Ebenfalls 488 Berlinerinnen und Berliner ließen den Geschlechtseintrag vollständig löschen – sie gelten nun offiziell als Personen „ohne Geschlechtseintrag“. In dieser Gruppe waren die meisten Anträge ebenfalls in Neukölln (102 Fälle) und Pankow (61 Fälle) zu verzeichnen. Sieben Personen nutzten das Verfahren sogar, um nach einer vorherigen Änderung wieder zum ursprünglichen Geschlechtseintrag zurückzukehren.
Auch für ein 5-jähriges Kind war Geschlechtsänderung möglich
Besonders auffällig ist der Anteil junger Antragstellerinnen und Antragsteller. Von den 2407 Personen, die seit November 2024 ihr Geschlecht geändert haben, waren 194 Kinder und Jugendliche. Ein Kind in Friedrichshain-Kreuzberg war zum Zeitpunkt der Erklärung sogar unter fünf Jahre alt, 31 weitere Kinder hatten das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet. Bei Minderjährigen muss die Änderung durch die Sorgeberechtigten erklärt werden, eine medizinische Begründung ist auch hier nicht erforderlich.
Das Selbstbestimmungsgesetz war im Bundestag nach monatelanger Debatte beschlossen worden. Die Regierungsfraktionen von SPD, Grünen und FDP setzten es gegen teils heftige Kritik der Opposition durch, die vor zu weitgehenden Erleichterungen und fehlenden Schutzmechanismen warnte. Befürworter hingegen feiern das Gesetz als wichtigen Schritt für die Rechte von trans-, inter- und nicht-binären Menschen. Es ermögliche Betroffenen, ihre Identität ohne bürokratische Hürden oder entwürdigende Begutachtungen anerkennen zu lassen.
Gegner des Gesetzes befürchten jedoch Missbrauch und fordern eine strengere Kontrolle, insbesondere bei Minderjährigen. Die aktuelle Berliner Statistik dürfte diese Debatte erneut befeuern. Während Befürworter auf den Erfolg und die hohe Akzeptanz verweisen, sehen Kritiker in der Zahl der Kinder und Jugendlichen, die ihren Geschlechtseintrag ändern ließen, ein Warnsignal.
Auch in anderen Bundesländern wird mit Spannung erwartet, wie sich die Zahlen entwickeln. Das Bundesinnenministerium will Ende des Jahres eine erste bundesweite Bilanz vorlegen.