Die Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) und auch Österreichs Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) sind im Fokus eines ungeheuerlichen Skandals samt drohender Vertrauenskrise bei befreundeten Nachrichtendiensten: Dass ein Helfer und Freund der in manchen Ländern verbotenen radikalen Muslimbruderschaft in den Verfassungsschutz eingeschleust werden und dort auch Informations-Abfragen durchführen konnte, sei eine der "größtmöglichen Katastrophen" für einen Nachrichtendienst, meint ein langjähriger Mitarbeiter des deutschen Bundesnachrichtendienstes (BND) im Gespräch mit statement.at.
"Dass dieser Beamte offenbar ohne ausreichender Sicherheitsprüfung in Österreichs Staatsschutz-Abteilung so weit kommen und auch Abfragen tätigen konnte, ist ein ungeheuerlicher Skandal", sagt der Ex-BND-Agent. Und: "Dieser Fall wird auch von jenen Nachrichtendiensten besprochen werden, die Österreich bisher immer unterstützt haben. Dort wird die Frage diskutiert werden: Können wir der Hochrisiko-Personalstruktur in Wien noch vertrauen?"
Dieses Vertrauen war bereits einmal massiv erschüttert: In einem Dossier des "Berner Clubs" aus dem Jahr 2019 kam das damalige BVT ganz schlecht weg. Das vom „Berner Club“ - einer im Geheimen agierenden Verbindung aller wichtigen Nachrichtendienste Europas - in Auftrag gegebene umfassende „Security assessement of BVT“ hätte nie an die Öffentlichkeit gehen sollen: „This Report must not be shared outside Club Service, it must be stored securely and not scanned onto any network connected to the internet.“
statement.at hat aber die gesamte 25-seitige Zusammenfassung der Analyse, inklusive aller Grafiken. Darin ist massiv kritisiert worden: Das BVT genehmigte etwa allen Mitarbeitern die Mitnahme von Mobiltelefonen oder Laptops in Hochsicherheitszonen des Verfassungsschutzes, jeder konnte also Screenshots von top-secret-Dokumenten machen und in seinen privaten Bereich mitnehmen. Und die österreichischen Nachrichtendienstler verwendeten noch immer vier Antivirus-Programme des russischen Unternehmens Kaspersky. Diese Software wurde schon vor Monaten von anderen Geheimdiensten (etwa auch dem niederländischen) aus deren Systemen entfernt: Das Spionage-Risiko sei extrem hoch gewesen.
MI5, BfV, VIS warnten schon 2019 vor Sicherheitsproblemen
Schon vor sechs Jahren warnte der Bericht: Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung - heute DSN - wäre ein leichtes Ziel für einen Angriff. Die Datensicherheit war alles andere als zufriedenstellend.
Der gefährlichste Missstand, der dabei genannt wurde: Über das Computer-Netzwerk des BVT könnte in „Poseidon“ eingedrungen werden, in das System aller europäischen Geheimdienste des „Berner Clubs“, in dem noch wesentlich brisantere Nachrichtendienst-Infos gespeichert werden. Dazu sagt ein Nachrichtendienst-Experte: „Sollte die wahre Identität der in Schlepperbanden oder Terrororganisationen eingeschleusten Kollegen bekannt werden, ist deren Leben nicht mehr viel wert. Die gesamte BVT-Führung ist rücktrittsreif, es müssen blitzartig Sofortmaßnahmen getroffen werden.“
Jetzt heißt das BVT eben DSN - und hat erneut einen Sicherheitsskandal, der international für Diskussionen über den weiteren Umgang mit den österreichischen Verfassungsschützern führen wird. Wie von statement.at berichtet, zieht sich der Direktor der DSN von seinem Führungsposten zurück.
Massive Kritik der Opposition
Gernot Darmann, der Sicherheitssprecher der FPÖ, kommentiert den nun von profil vorab berichteten Fall: "Dass ein radikaler Islamist im Herzen unseres Nachrichtendienstes geheime Informationen abzweigen kann, ist der vorläufige Höhepunkt einer Kette katastrophaler Versäumnisse unter Innenminister Karner. Cyberangriffe, Datenlecks bei der Polizei und jetzt ein Maulwurf für eine verfassungsfeindliche Organisation – die ÖVP, die ständig versucht, die FPÖ als ‚Sicherheitsrisiko‘ zu diffamieren, entpuppt sich selbst als die größte Gefahr für die Sicherheit unserer Heimat - und Karner offenbart sich immer mehr als sicherheitspolitischer Chaosminister. Das ist an Zynismus und Unfähigkeit nicht mehr zu überbieten."
Für Darmann werfe der Skandal auch ein völlig neues Licht auf den erst kürzlich für Ende 2025 angekündigten Rücktritt von DSN-Direktor Omar Haijawi-Pirchner: „Wusste er von dieser und weiteren tickenden Zeitbomben in seinem eigenen Haus? Ist sein ‚Abgang aus privaten Gründen‘ in Wahrheit eine überhastete Flucht aus der Verantwortung, weil er das von der ÖVP zu verantwortende Chaos nicht mehr tragen wollte oder konnte? Oder hat er die Zustände, die so etwas erst ermöglichen, selbst geschaffen und zog sich rechtzeitig aus der Affäre? Das sind Fragen, die Minister Karner der Öffentlichkeit umgehend beantworten muss.“
