Die Gerüchte über diese spezielle Software zur Ausspähung von Handy-Standorten, ohne dass der Mobiltelefon-Besitzer das erkennen kann, kursieren bei Nachrichtendiensten und Investigativjournalisten schon länger. Nun deckte aber eine Recherche des deutschen Nachrichtenmagazins Der Spiegel konkret auf, dass es eine österreichische Beteiligung an dieser hochbrisanten Causa gibt - und auch österreichische Opfer.
Eine Überwachungsfirma mit Sitz in Dubai und Jakarta soll über Jahre hinweg Handys von Politikern, Managern, Journalisten und sogar von Prominenten wie dem österreichischen Sänger Wolfgang Ambros (73) ausspioniert haben. Die Spur führt zu einem Mann aus Tirol, der einst für Siemens arbeitete und später eines der mächtigsten Handy-Tracking-Systeme der Welt entwickelte.
Die Firma heißt First Wap, ihr Produkt trägt den harmlosen Kunstnamen Altamides: Es ist eine Software, mit der sich nahezu jedes Mobiltelefon weltweit orten lässt. Es genügt die Eingabe einer Telefonnummer, und binnen Sekunden liefert das System präzise Standortdaten: Wo war die Zielperson, wann – und wie oft? Das Programm kann Bewegungsprofile erstellen, Aufenthalte nachverfolgen und sogar Muster des Alltagslebens rekonstruieren.
14.000 Telefonnummern ins Visier genommen
Nach außen hin gibt sich First Wap diskret, ja geradezu unsichtbar. Auf der Website: kaum Informationen. Vom Geschäftsführer existiert kein öffentliches Foto. Doch die Wirkung seiner Technologie ist enorm.
Ein internationales Rechercheteam von Lighthouse Reports, dem Spiegel und dem ZDF gelangte nun an interne Daten, die das Ausmaß dieser Überwachung erstmals offenlegen. Zwischen 2007 und 2014 wurden mit Altamides über 1,5 Millionen Ortungsversuche in 168 Ländern durchgeführt. Mehr als 14.000 Telefonnummern wurden dabei ins Visier genommen. Darunter: Journalisten, Staatsanwälte, Diplomaten und Unternehmer. Selbst hohe Regierungsvertreter, Oligarchen und Angehörige von Herrscherfamilien wurden überwacht.
Auch mehrere österreichische Nummern tauchen in den Datensätzen auf – darunter jene des Sängers Wolfgang Ambros, einer der bekanntesten Musiker des Landes. Laut Recherchen wurde sein Handy mehrfach lokalisiert. Ambros, der von den Überwachungen überrascht wurde, soll über die Enthüllungen „fassungslos“ reagiert haben. Ebenfalls betroffen war offenbar ein hochrangiger Manager des Getränkekonzerns Red Bull, der über Jahre hinweg mehr als 200-mal geortet wurde.
Brisant: Auch der frühere Chef des österreichischen Verfassungsschutzes (damals BVT, jetzt DSN), Gert-René Polli, wurde nach seiner Zeit als oberster Verfassungsschützer zwischen 2011 und 2014 insgesamt 28 Mal über seine Nummer abgefragt und 19 Mal lokalisiert.
Tiroler erfand die Technologie zur unerkannten Standort-Ortung
Das System stammte aus den Ideen eines österreichischen Ingenieurs, Josef F., der aus einem Tiroler Bergdorf stammt. Er arbeitete zunächst bei Siemens, bevor er beschloss, seine eigene Technologie zur Standortbestimmung zu entwickeln – angeblich, um Telekommunikationsnetze zu optimieren. Doch das System wurde bald zu einem Instrument globaler Überwachung. Nach seinem Tod 2024 führen heute ein Deutscher und ein Österreicher die Geschäfte weiter: Jonny G. aus Passau und Günther R., der laut Recherchen eng mit dem Gründer zusammenarbeitete.
First Wap warb auf Messen in Asien und Europa mit „Location Tracking“ – offiziell für den Einsatz durch Sicherheitsbehörden. Doch interne Dokumente und Gesprächsprotokolle belegen, dass Altamides weit über die Grenzen legaler Nutzung hinausging. Unter den Zielpersonen fanden sich unter anderem Enthüllungsjournalisten, Menschenrechtsaktivisten und Politiker – etwa die Ehefrau des syrischen Machthabers, Asma al-Assad, oder ein ehemaliger Premierminister Katars.
Auch Unternehmen waren betroffen. Besonders auffällig ist die Spur zu Red Bull Media House, einer Tochter des Energydrink-Giganten. Mehr als 20 Handy-Nummern aus dem Konzernumfeld tauchen in den Überwachungslisten auf. Fast 1000 erfolgreiche Abfragen konnten nachvollzogen werden – teils alle drei Stunden, über fast sechs Jahre hinweg. Besonders intensiv überwacht wurde Andreas Gall, damaliger Technikvorstand des Media House und enger Vertrauter von Firmengründer Dietrich Mateschitz.
First Wap weist alle Vorwürfe zurück
First Wap weist alle Vorwürfe kategorisch zurück. In einer anwaltlichen Stellungnahme heißt es, man verkaufe Software ausschließlich an staatliche Stellen, die ein „gesetzliches Mandat“ zur Nutzung hätten. Man habe „keinen Zugriff auf Kundendaten“ und „keine Kontrolle über deren Einsatz“. Sollte es Missbrauch gegeben haben, wolle man dies prüfen.
Doch ehemalige Mitarbeiter zeichnen ein anderes Bild: „Es gab keine roten Linien“, sagt ein Ex-Angestellter laut Spiegel. Die Firma habe wissentlich mit autoritären Staaten wie Belarus, Aserbaidschan und Bahrain Geschäfte gemacht. In internen E-Mails war gar die Rede davon, mit der Software „negative Elemente“ im Land zu identifizieren – gemeint waren offenbar Oppositionelle.
Sicherheitsforscher Ronald Deibert von der Universität Toronto, einer der führenden Experten für digitale Überwachung, nennt First Wap einen „typischen Akteur in einer Schattenindustrie ohne Moral“. Die Firma habe offenbar keinerlei Bedenken gehabt, Despoten und Geheimdienste mit ihrer Technologie zu versorgen.
Dass auch österreichische Prominente wie Wolfgang Ambros oder Manager eines heimischen Konzerns ins Visier gerieten, macht die Affäre nun zu einem innenpolitischen Thema. Juristen prüfen, ob die Betroffenen Klage einreichen können – doch die Spur führt in ein kaum greifbares Netzwerk.
Was als Hightech-Tool aus Tirol begann, ist längst zu einem gefährlichen Überwachungssystem geworden, das selbst bei Musiklegenden wie Ambros oder Konzernmanager verwendet wird.
Der Bericht dazu im Spiegel: Spionage-Software einer Überwachungsfirma: Wie Politiker und Journalisten getrackt werden - DER SPIEGEL