Europa lehnt russische Energie ab – und wundert sich, dass sie global nicht mehr konkurrenzfähig ist

Brüssel drängt auf ein totales Verbot russischer Energie in Europa. Für Mitteleuropa bedeutet das teureres Gas, höhere Transitgebühren und einen weiteren Beweis, dass in der EU die Falkenpolitik über die Vernunft siegt.

Robert Fico und Viktor Orbán. Foto: Janos Kummer/Getty Images

Robert Fico und Viktor Orbán. Foto: Janos Kummer/Getty Images

Die Europäische Union ist in den letzten Jahren zu einem Ort der Etikettierer geworden. Wenn jemand vom einheitlichen Gedankengut abweicht und es wagt, auf die Fehler und Schwachstellen des Systems hinzuweisen, wird er sofort als Euroskeptiker, pro-russischer Trottel, Fremdenfeind oder umweltschädlicher Mensch, der den Planeten zerstört, abgestempelt.

Ein hervorragendes Beispiel aus den letzten Monaten ist die Kritik, die Bratislava und Budapest dafür einstecken, dass sie sich gegen das Verbot des Imports russischer Energie nach 2027 auflehnen. Der Plan wurde bereits von den Energieministern gebilligt, wobei die endgültige Entscheidung bei den Mitgliedstaaten liegt. Da weder die Slowakei noch Ungarn das Embargo verhindern können (für dessen Durchsetzung reicht eine qualifizierte Mehrheit), blockieren sie sporadisch Sanktionspakete, für die die einstimmige Zustimmung aller erforderlich ist.

Die Verteidigung nationaler Interessen auf diese Weise ist heute jedoch offensichtlich pro-russisch. Die Entscheidung Brüssels und anderer europäischer Staaten, die das Embargo unterstützen, dass Ungarn und die Slowakei für Gas mehr bezahlen müssen, ist hingegen in Ordnung.

Von der Diversifizierung zum totalen Embargo

Obwohl es der Union als Ganzes gelungen ist, ihre Gaslieferungen relativ erfolgreich zu diversifizieren, geschah dies vor allem dank der großen Küstenstaaten, die ihre LNG-Importe aus den USA oder Katar drastisch erhöht haben, obwohl einige, wie beispielsweise Frankreich oder Belgien, auch ihre Importe von russischem LNG erhöht haben.

Insgesamt ist der Umfang der Gasimporte aus Russland in die EU drastisch zurückgegangen, von etwa 40 Prozent vor dem Krieg auf 18 Prozent im Jahr 2024. Brüssel schätzt, dass diese Zahl in diesem Jahr auf etwa 13 Prozent sinken wird.

Die Einfuhr von Gas von anderen Lieferanten ist für Binnenländer jedoch etwas komplizierter und vor allem teurer als für Küstenstaaten. Sowohl die Slowakei (bis 2034) als auch Ungarn (bis 2036) haben mit Gazprom langfristige, vorteilhafte Verträge über Gaslieferungen abgeschlossen. Dabei geht es nicht nur um einen guten Preis für die Ware selbst. Ein großer Vorteil ist, dass beide Länder keine Transitgebühren zahlen müssen – dafür sorgt laut Vertrag der russische Lieferant.

Selbst wenn das Gas ein ähnliches Preisniveau wie das russische hätte, würden beide Länder nach Verhängung des Embargos Hunderte Millionen Euro allein für Transitgebühren zahlen müssen. Das ist jedoch nicht der Fall.

Eine Studie des Zentrums für Energie- und Luftreinhaltungsforschung (CREA) gibt an, dass russisches Gas aus der TurkStream-Pipeline nach Schätzungen auf der Grundlage von Eurostat-Daten im Jahr 2024 für Käufer aus der EU 13 bis 15 Prozent billiger sein wird als andere Optionen.

Die Motivation dieser Binnenländer, etwas zu ändern, ist aus verständlichen Gründen minimal.

Warum sollte Europa sich vom russischen Gas abkoppeln?

Befürworter des Embargos führen zwei Hauptargumente an, warum diese Länder dennoch auf russisches Gas verzichten sollten.

Beide sind bekannt. Nach dem ersten Argument finanzieren die europäischen Länder, die russische Energie kaufen, Putins Aggression in der Ukraine.

Das zweite Argument besagt, dass die Staaten des Kontinents sich vom russischen Gas abwenden müssen, da es ein Mittel ist, mit dem Moskau sie erpressen kann.

Eine aufgeblasene Erzählung auf tönernen Füßen

Beide Argumente sind unhaltbar.

Dass Europa russisches Gas ablehnt, schadet Russland nicht sonderlich. Die Haupteinnahmequelle für seine Staatskasse ist Öl, nicht Gas. Zweitens handelt es sich um eine Ware, die es anderswo verkaufen kann. Dies ist zwar vorübergehend mit logistischen Schwierigkeiten verbunden. Im Westen ist Russland über Pipelines mit mehreren Ländern verbunden, die ihre Produktion nach Europa verkaufen.

In der Praxis kann es daher leicht dazu kommen, dass Staaten wie Aserbaidschan oder die Türkei ihr Gas an die Europäer verkaufen, während sie zu Hause Energie aus russischem Gas produzieren.

Moskau würde dadurch nicht viel verlieren, während die europäischen Staaten teurer einkaufen müssten, mit Preisaufschlägen von Zwischenhändlern. Ein vernünftig denkender Skeptiker würde sagen, dass diese politische Intervention zu Ineffizienz auf dem Markt führen würde.

Das zweite Argument ist ebenfalls lückenhaft.

Obwohl die Slowakei und Ungarn im Durchschnitt etwa zwei Drittel des russischen Gases verbrauchen, bedeutet dies nicht, dass die Energieunternehmen keine Diversifizierungsverträge mit anderen Lieferanten abgeschlossen haben. Ein nicht unerheblicher Teil dieses Gases, das sie von anderen Lieferanten kaufen, gelangt jedoch nicht physisch in ihr Hoheitsgebiet, sondern wird weitergehandelt. In der Praxis verfügen beide Länder somit über ein weitgehend diversifiziertes Portfolio und fürchten keine Unterbrechung der russischen Lieferungen, während sie gleichzeitig Gas zu günstigen Preisen beziehen.

Über die Kosten politischer und ideologischer Entscheidungen

Das Urteil der Union erscheint daher nicht als vernünftiger Schritt in Richtung Unabhängigkeit und Risikostreuung, sondern als rein politische Entscheidung symbolischer Natur, die nicht berücksichtigt, welche Folgen sie nach sich ziehen wird.

Die Auswirkungen auf die Preise sind relativ schwer zu beziffern, aber die slowakische Gasindustrie rechnet damit, dass sich die Auswirkungen der Maßnahmen aus slowakischer Sicht auf etwa 287 bis 428 Millionen Euro belaufen werden, was bedeutet, dass wir mehr für Gas bezahlen werden.

Der Öl- und Gasanalyst der Erste Bank, Tamás Pletser, berechnete, dass das Embargo mittelfristig die Preise in der Region um „5 bis 10 Prozent“ erhöhen wird. Er fügte hinzu, dass der Anstieg zwischen drei und sechs Prozent liegen könnte, wenn die Kommission die Mitgliedstaaten dazu drängen würde, die Gebühren für den Gastransit zu senken.

Auch wenn diese Zahlen nicht so dramatisch klingen, ist dieser Anstieg nicht auf eine natürliche Marktentwicklung zurückzuführen, sondern auf eine künstliche Intervention, die außer Europa niemand vornimmt. Weder chinesische noch amerikanische Unternehmen kaufen Energie mit dieser politischen Steuer. Und dann wundern sich alle auf dem alten Kontinent, wo die Wettbewerbsfähigkeit Europas gegenüber dem Rest der Welt geblieben ist.