"Mileis Bewegung in Argentinien am Bersten", titelte der ORF einen Beitrag kurz vor den Zwischenwahlen für beide Kammern des argentinischen Parlaments am vergangenen Sonntag. Abgesehen von der sprachlichen Unzulänglichkeit seiner Überschrift, strotzt der Beitrag vor einer Kaskade an Fehleinschätzungen: "Die Erwartungen des Präsidenten auf einen kräftigen Zugewinn sind kaum haltbar: Nicht nur die Wirtschaftslage hat viele der Wähler und Wählerinnen von vor zwei Jahren vergällt, auch Skandale in den eigenen Reihen sorgten zuletzt für unliebsame Schlagzeilen", orakelten die Kommentatoren vom Küniglberg.

Fehleinschätzung des ORF wird massiv kritisiert

Die Fehleinschätzung erreicht nach 101 Zeilen der Einschätzung von Mileis angeblich völlig verfehlter Wirtschaftspolitik ihren Höhepunkt: "Mileis Siegeszug ist zu Ende, das steht außer Zweifel. Jüngste Umfragen zeigen, dass 60 Prozent der Bevölkerung mit ihm und seiner Politik unzufrieden sind. Fraglich bleibt, ob der Präsident nach den Wahlen willens ist, von seinem Radikalkurs abzuweichen und Konsens im Kongress zu suchen. Andernfalls wird Argentiniens gigantischer Schuldenberg wohl weiter wachsen, mit ihm das Prekariat im Land.

Was jedoch tatsächlich am Sonntag passierte, war dem ORF dann nicht einmal die hälfte der Textlänge wert: "Sieg für Milei bei Parlamentswahl", heißt das aktuelle Stück: "Die Partei des ultraliberalen argentinischen Präsidenten Javier Milei hat die Zwischenwahl zum Kongress am Sonntag mit über 40 Prozent klar gewonnen. Das Ergebnis gilt als deutlicher Sieg für Milei und als Rückendeckung für seinen harten Sparkurs sowie radikalen wirtschaftlichen Umbau trotz weit verbreiteter Unzufriedenheit in der Bevölkerung", lautet der verbale Rückwärtssalto des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

Mit einem Ergebnis von 40,8 Prozent gewann Mileis Partei La Libertad Avanza (LLA, zu Deutsch: Die Freiheit schreitet voran) im Unterhaus 64 Sitze von 127, während auf die Opposition 31 Mandate entfallen. Im Senat konnte Mileis Partei die Hälfte von 24 zur Wahl stehenden Sitzen für sich gewinnen. Die peronistische Oppositionspartei Fuerza Patria kam nach Auszählung von mehr als 90 Prozent der Stimmen auf 31,7 Prozent.

ORF hoffte auf Wahlniederlage von Milei - warum eigentlich?

Franz Schellhorn, Frontmann der neoliberalen Denkfabrik Agenda Austria und Kolumnist des Magazins Profil, konnte sich einen süffisanten Kommentar auf der Plattform X (Twitter) nicht verkneifen: "Gestern riesiger (hoffnungsfroher) Aufmacher über die drohende Wahlniederlage Mileis auf ORF.at mit langer Analyse, wie furchtbar alles in Argentinien sei. Heute schmallippige Kurzmeldung über Mileis Wahlsieg."

Dass derartige Fehleinschätzungen im ORF "einfach passieren", daran zweifeln auch zahlreiche User auf X - auf den Social-Media-Plattformen wird darüber bereits emotional diskutiert. Ebenso auch darüber, dass dieser ORF mit dieser gebotenen Qualität künftig keine Zwangsgebühren mehr erhalten sollte.

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