Es ist der Moment, auf den ein Vize eigentlich wartet, auch wenn der Anlass kein Grund zur Freude ist. Weil sich Bundeskanzler Christian Stocker einer Rücken-Operation unterziehen muss und wohl länger ausfällt, darf sein Stellvertreter ran: SPÖ-Chef Andreas Babler. Der frühere Bürgermeister der Kleinstadt Traiskirchen bei Baden (NÖ) lenkt ab dem heutigen Dienstag die Geschicke der Republik.
Eine Mammutaufgabe in Zeiten großer Probleme. Einen Gutteil davon hat sich Babler allerdings selbst eingebrockt, sie fliegen ihm aktuell um die Ohren. Selbst in der eigenen Partei bläst ihm kräftiger Gegenwind ins Gesicht. Grund hierfür ist Bablers Lieblingsprojekt, die geplante Mietpreisbremse, die im jüngsten Ministerrat beschlossen wurde. "Ein historischer Schritt", behauptete der Neo-Kanzler. Kommen sollen ein Preisdeckel für Altbauwohnungen und Gemeindebauten, eine Preisbremse für ungeregelte Mieten im Neubau und die Verlängerung der Mindestbefristung von drei auf fünf Jahre.
Riesenärger mit der Mietpreis-Bremse
Was sich gut anhört, stößt jedoch ausgerechnet bei den natürlichen Verbündeten der SPÖ und selbst in der Partei auf erheblicheBedenken. Der ÖGB, die Arbeiterkammer und auch die Mietervereinigung üben heftige Kritik, die sich vor allem an den Wertsicherungsklauseln in Mietverträgen entzünden, die als Einknicken vor der Immobilien-Lobby gewertet werden: „Die Umsetzung der geplanten Änderungen würde dazu führen, dass eine Vielzahl Mieter beziehungsweise Konsumenten generell zukünftig mit höheren Preisen konfrontiert wären“, heißt es aus der Gewerkschaft.
Wertsicherungsklauseln sind Vereinbarungen in Mietverträgen, die erlauben, dass die Miete an die Inflation angepasst werden kann (Indexanpassung). Kommt es zu einer allgemeinen Preiserhöhung, steigt somit auch die Miete. "Viele Wertsicherungsklauseln sind rechtswidrig", sagt beispielsweise die Arbeiterkammer.
Nationalrätin Nina Tomaselli von den Grünen empörte sich in der Krone: "Es ist erschütternd, wie leichtfertig die SPÖ die Interessen der Mieter zugunsten der Immobilienlobby opfert. Babler ignoriert sogar die harsche Kritik von SPÖ-nahen Organisationen und hält stur an seinen Plänen fest, die Mieter zu viele Nachteile bringen", behauptet sie.
Ein Blick nach Berlin könnte dazu beitragen, die Mietpreisbremse ("Mietendeckel") realistisch einzuschätzen. Dort hat sie tatsächlich in einigen Bereichen für ein Einfrieren oder sogar eine Senkung er Mieten gesorgt. Doch die Nachteile überwiegen laut Kritikern. Durch Preisbremsen schieben Vermieter wichtige Investitionen (Sanierungen) auf oder streichen sie ganz, das öffentlich zugängliche Wohnungsangebot über Immobilieninserate ist um 50 Prozent eingebrochen, der Markt läuft "unter der Hand". Die Folge: Bezahlbare Mieten gibt es in der deutschen Hauptstadt kaum noch.
Die Kehrseite wurde auf Andreas Bablers neuem Jubel-Sender SPÖ1-TV zum Start geflissentlich unterschlagen. Was angesichts der überschaubaren Zuseherzahl jedoch kaum ins Gewicht fällt. Der sich abzeichnende Medien-Flop auf Kosten der Steuerzahler ist auch nur das geringste Problem des Medienministers Babler, der ab heute Bundeskanzler ist.