Wiens Volksschulen stehen auch im Herbst 2025 erneut vor einer gewaltigen Herausforderung: Fast die Hälfte der Erstklässlerinnen und Erstklässler kann dem Unterricht nicht ausreichend auf Deutsch folgen. Laut aktuellen Daten der Bildungsdirektion wurden mit Stichtag 1. Oktober 7386 von insgesamt 16.700 Schulanfängern als „außerordentlich“ eingestuft – das entspricht einem Anteil von 44,2 Prozent. Diese Kinder müssen zunächst spezielle Sprachförderklassen besuchen oder zusätzlichen Unterricht erhalten, um die Unterrichtssprache ausreichend zu beherrschen.

Damit bleibt die Lage praktisch unverändert zum Vorjahr, auch wenn die Bildungsstadträtin Bettina Emmerling (NEOS) in den Zahlen bereits eine Trendwende erkennen will. Über alle Pflichtschulen hinweg sei die Zahl der außerordentlichen Schüler zwar leicht gesunken – von 16,8 auf 16 Prozent, vor allem dank Verbesserungen in den Mittelschulen. Doch an den Volksschulen, wo die sprachliche Basis gelegt wird, stagniert die Entwicklung auf hohem Niveau.

Pädagogen berichten seit Jahren von zunehmender Spracharmut und geringer Konzentrationsfähigkeit vieler Schulanfänger. Digitale Ablenkungen, soziale Isolation und fehlende Sprachvorbilder im Elternhaus verschärfen die Situation. „Viele Kinder wachsen in Parallelwelten auf, in denen Deutsch kaum eine Rolle spielt“, sagt etwa eine Wiener Volksschullehrerin, die anonym bleiben möchte. „Wenn Kinder in ihrer Freizeit fast ausschließlich über das Smartphone kommunizieren oder arabische Serien sehen, fehlt ihnen das sprachliche Fundament für die Schule.“

Dramatische Zahlen zeigen ein Problem der Zukunft

Dass 60,9 Prozent der außerordentlichen Schüler in Österreich geboren wurden, zeigt, dass das Problem längst nicht mehr nur mit weiterer Zuwanderung erklärt werden kann. Integration scheitert vielerorts bereits im Vorschulalter, berichtet dazu der Standard: Sprachförderprogramme im Kindergarten greifen zu spät oder es gibt Personalmangel, warnen Experten.

Während Stadträtin Emmerling betont, „frühe Sprachförderung wirkt und Integration gelingt Schritt für Schritt“, sehen Kritiker die Realität nüchterner: Der Anteil außerordentlicher Schüler stagniert seit Jahren auf Rekordniveau. Ohne tiefgreifende Reformen in der Frühpädagogik und verbindliche Sprachstandskontrollen schon ab dem dritten Lebensjahr droht Wien, so warnen Bildungsforscher, eine „verlorene Generation“ heranzuziehen – Kinder, die in ihrer eigenen Stadt sprachlich kaum ankommen.

Die Zahlen aus dem Herbst 2025 sind somit nicht nur eine Statistik über Bildungsdefizite, sondern auch ein Weckruf an die Politik: Ohne konsequente Sprachförderung und gesellschaftliche Integration wird der soziale Graben in Österreichs Schulen weiter wachsen – und mit ihm die Zukunftssorgen einer ganzen Generation.