ORF verliert auch in zweiter Instanz gegen kritische Journalistin Sagmeister

Die ehemalige ORF-Reporterin Sonja Sagmeister hat auch in zweiter Instanz gegen ihren Arbeitgeber gewonnen. Das Berufungsgericht bestätigte das erstinstanzliche Urteil, wonach ihre Versetzung und spätere Freistellung rechtswidrig waren. Eine ordentliche Revision ist nicht zulässig – das Urteil ist somit rechtskräftig.

Nach Angaben der Journalistin wurde der ORF bereits offiziell informiert. „Der ORF-Stiftungsratsvorsitzende wurde gestern informiert, dass der ORF-Prozess verloren hat und ich als Redakteurin der ZIB in zweiter Instanz gewonnen habe“, schrieb Sagmeister am Donnerstag auf X. Der Stiftungsrat wisse auch, „dass ich im ›Todesarchiv‹ war, nachdem ich das ›bestellte‹ Interview mit Kocher ablehnte.“

Das Gericht kritisierte laut Urteil ein „verpöntes Kündigungsmotiv“. Damit ist gemeint, dass arbeitsrechtliche Schritte gegen Mitarbeiter wegen ihres journalistischen Verhaltens oder kritischer Äußerungen unzulässig sind.

Quelle: X

Vom Nachrichtenraum ins Archiv

Sagmeister, die über drei Jahrzehnte für den ORF tätig war, hatte 2022 im Zuge eines Interviews mit dem damaligen Wirtschaftsminister Martin Kocher Fragen zur Inflation stellen wollen – entgegen der Vorgabe, sich ausschließlich auf Arbeitsmarkt und Budget zu beschränken. Kurz danach wurde sie aus der Redaktion abgezogen und in die Abteilung versetzt, in der Nachrufe auf noch lebende Personen vorbereitet werden.

„Ich war leitende Redakteurin – und plötzlich Nachrufbeauftragte“, sagte sie später in einem Interview mit der Welt. Nach ihrer Klage stellte das Gericht fest, dass die Entscheidung über ihre Versetzung zeitlich unmittelbar auf ihre Weigerung folgte, politische Einflussnahme zu akzeptieren.

Deutliche Kritik am ORF-Management

Das Berufungsgericht bestätigte nun, dass diese Maßnahme eine klare Benachteiligung darstellte. Das Vorgehen der Personalabteilung sei nicht nur sachlich unbegründet, sondern widerspreche auch dem Grundprinzip redaktioneller Unabhängigkeit. Ein öffentlich-rechtlicher Sender habe eine besondere Verpflichtung, journalistische Eigenständigkeit zu schützen – nicht zu bestrafen.

Die Kritik richtet sich insbesondere gegen den Personalchef des ORF, dessen Vorgehen in der Urteilsbegründung ausdrücklich beanstandet wurde. Beobachter sehen in der Entscheidung ein Signal an die ORF-Führung, künftig sensibler mit interner Opposition umzugehen.

Symbol für die Medienfreiheit

Sagmeister selbst reagierte mit deutlichen Worten: „Es lebe der mutige Journalismus“, schrieb sie nach der Urteilsverkündung. Ihr Fall gilt inzwischen als Symbol für die Lage des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Österreich – und für die Frage, wie viel Widerspruch das System noch aushält.

Vonseiten des ORF liegt bislang keine Stellungnahme vor.