Riesiger Diamant "Florentiner" auch dabei: Habsburger-Schatz in Kanada aufgetaucht
Der Fund der Habsburg-Juwelen in einem Bankschließfach in Québec ist eine Sensation – und zugleich ein Kapitel europäischer Geschichte, das sich wie ein Abenteuerroman liest. Der Weg des Schatzes führte quer durch das 20. Jahrhundert: von den letzten Tagen der Monarchie über die Flucht vor den Nationalsozialisten bis in die kanadische Diaspora der kaiserlichen Familie.
Im November 1918, nur wenige Tage vor seiner Abdankung, ließ Kaiser Karl I. den Familienschmuck aus der Wiener Hofburg in die neutrale Schweiz bringen. Nach dem Ende der Monarchie fürchtete er Enteignungen, weshalb er die privat gehaltenen Juwelen – im Unterschied zu den staatlichen Kroninsignien – in Sicherheit bringen wollte. Der Transport erfolgte diskret über Innsbruck und Liechtenstein. Dort lagerte der Schatz zunächst in Tresoren einer Genfer Bank. Nach dem Tod Karls I. im Jahr 1922 auf Madeira übernahm seine Witwe, Kaiserin Zita, die Verantwortung für das verbliebene Familienvermögen.
Die Habsburger im Exil
In den 1920er- und 1930er-Jahren führte sie mit ihren acht Kindern ein unstetes Exilleben: zunächst in Spanien, dann in Belgien. In dieser Zeit sollen die wertvollsten Stücke der Sammlung mehrfach den Ort gewechselt haben. Nach Aussagen von Familienangehörigen bewahrte Zita den „Florentiner“ und einige andere Schmuckstücke separat in einem kleinen braunen Koffer auf, den sie stets bei sich trug. Der Koffer taucht in mehreren Familienerinnerungen auf – als Symbol für das, was von der kaiserlichen Pracht übrigblieb.
Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich im März 1938 wurde das Eigentum der Habsburger vom NS-Regime eingezogen. Otto von Habsburg wurde zur „unerwünschten Person“ erklärt, und auch Zita geriet ins Visier der Nationalsozialisten. Als die Wehrmacht 1940 in Belgien einmarschierte, floh sie mit ihren Kindern über Frankreich nach Spanien und weiter nach Portugal. Dort erhielten sie mithilfe des portugiesischen Diplomaten Aristides de Sousa Mendes Ausreisepapiere – eines jener Dokumente, die vielen Flüchtlingen das Leben retteten.
Von Lissabon aus stach die Familie noch im selben Jahr mit einem Frachtschiff nach Nordamerika in See. Zita führte den Koffer mit den Juwelen im persönlichen Gepäck mit – aus Angst vor Diebstahl oder Beschlagnahmung. Im Sommer 1940 erreichte sie die kanadische Provinz Québec, wo sie mit ihren Kindern Schutz fand. Dort lebte sie in bescheidenen Verhältnissen, zunächst in einem Kloster, später in einem kleinen Haus nahe Montreal.
Nach Angaben von Karl Habsburg ließ seine Großmutter die Juwelen bald nach ihrer Ankunft in einem Bankschließfach deponieren. Der genaue Standort wurde geheimgehalten – nur zwei ihrer Söhne, Robert und Rudolf, kannten das Versteck. Zita verfügte zudem, dass dieses Familiengeheimnis erst an ihre Nachkommen weitergegeben werden dürfe, wenn „die Zeit dafür reif“ sei. Laut „New York Times“ bestimmte sie ausdrücklich, das Wissen solle erst nach dem 100. Todestag ihres Mannes Karl weitergegeben werden.
Robert und Rudolf hielten sich an diese Anweisung. Sie gaben die Informationen über das Schließfach testamentarisch an ihre eigenen Söhne weiter – Karl Habsburg erfuhr erst 2024 davon. Zwei Cousins hätten ihn damals kontaktiert und mitgeteilt, dass der legendäre Schatz seit Jahrzehnten unberührt in einem Banksafe in Québec liege. Im Herbst 2024 öffnete die Familie das Schließfach, in Anwesenheit eines Juweliers und eines kanadischen Notars.
Der Fund bestätigte, was über Generationen als Legende galt: Der „Florentiner“, die Smaragduhr Maria Theresias und mehrere Diademe der kaiserlichen Familie waren tatsächlich erhalten geblieben – sorgfältig eingewickelt in Tücher und nummerierten Samtbeuteln. Zita hatte sie, wie ein Familienmitglied später sagte, „so sicher verwahrt, dass sie selbst fast in Vergessenheit geraten wären“.
Karl Habsburg erklärte dem Spiegel, dass der Schatz vorerst in Kanada bleiben und dort erstmals ausgestellt werden solle – als Dank an das Land, das seiner Familie während der Kriegsjahre Zuflucht bot. Eine Rückführung nach Österreich sei derzeit nicht geplant, zumal noch rechtliche Fragen zu klären seien.
Damit schließt sich nach mehr als einem Jahrhundert ein Kreis: Der Schatz, der einst den Glanz des Kaiserhauses symbolisierte, wurde durch Flucht, Exil und Schweigen zu einem stillen Zeugnis europäischer Geschichte – und kehrt nun als Erinnerung an eine vergangene Epoche zurück ans Licht.