In den vergangenen zwei Jahren waren die Märkte durchweg optimistisch und haben gelernt, alle Sorgen unter den Teppich zu kehren, da die Fed die Zinsen bald senken wird und künstliche Intelligenz die Rentabilität praktisch aller Unternehmen steigert.
Doch nun zeigt sich, dass die Erwartung einer Rückkehr zur Nullzinspolitik eher ein Wunsch der Anleger ist als ein wahrscheinliches Szenario. Und selbst wenn die Märkte zu diesem Regime zurückkehren sollten, kann dies nicht als Erfolg gewertet werden. Die Zentralbanken senken die Zinsen in erster Linie, weil etwas schief gelaufen ist.
Ebenso fragen sich immer mehr Anleger, ob die Aktien des AI-Sektors überbewertet sind. Das ist eine gute Frage, aber sie muss in den richtigen Kontext gestellt werden.
Die Anleger sollten einen kühlen Kopf bewahren und nicht sofort an einen Crash denken oder daran, dass die Aktienkurse von Technologieunternehmen so überbewertet sind, dass es keinen Sinn macht. Das ist nicht der Fall. Technologieaktien sind teuer, aber das bedeutet nicht, dass es sich um wertlose Unternehmen handelt. Was derzeit vielleicht falsch eingeschätzt wird, ist die Geschwindigkeit, mit der die künstliche Intelligenz (KI) in den Alltag und das Unternehmensleben Einzug hält. Es könnte wesentlich länger dauern, bis sie ihr volles Potenzial erreicht.
Gleichzeitig müssen sich die Anleger jedoch von der Illusion verabschieden, dass KI alle Probleme lösen wird. Schon jetzt zeigt sich, dass in einigen Bereichen, in denen Analysten einen großen Wandel vorausgesagt haben, die Auswirkungen minimal sein werden. Ein Beispiel ist die Logistik, die ihre eigene Software entwickelt hat, die Probleme in Echtzeit lösen kann.
Nvidia legt die Zahlen vor
Gerade als sich der Markt diese grundlegenden Fragen stellte, kam die Gewinnsaison von Nvidia. Schon vor der Bekanntgabe der Ergebnisse war die Rede davon, dass die Ergebnisse von Nvidia mehr als nur gut sein müssten, um die Stimmung an den Märkten grundlegend zu ändern - sie müssten ausgezeichnet sein. Das ist schließlich auch geschehen, aber es hat den Märkten trotzdem nicht geholfen.
Wie sahen die Zahlen konkret aus? Der Umsatz im dritten Quartal wuchs im Vergleich zum Vorjahr um 62 Prozent. Nvidia ist also nach wie vor ein wachstumsstarkes Unternehmen - selbst im Vergleich zu anderen Technologieunternehmen. Bei letzteren wird ein jährliches Wachstum von nur einem Fünftel als sehr gut angesehen.
Inzwischen wächst Nvidia deutlich schneller als üblich. Allein diese Zahl zeigt, dass sich das Unternehmen noch immer in einer großen Expansionsphase befindet. Erst wenn das Wachstum im Jahresvergleich auf 20 bis 30 Prozent sinkt, kann man von einer Stabilisierung sprechen. Und an diesem Punkt steht aus fundamentaler Sicht eine weitere Abwärtskorrektur des Aktienkurses an.

Der Gesamtumsatz belief sich auf 57 Milliarden Dollar, wovon 51,2 Milliarden Dollar auf Chips für Rechenzentren entfielen. Nvidia erfreute die Anleger auch mit seinem Ausblick - es hob seine Umsatzschätzung für das nächste Quartal auf 65 Milliarden Dollar an.
Und das Beste daran: In diesen Zahlen ist noch nicht einmal ein einziger in China verkaufter Chip enthalten. Führungskräfte von Nvidia haben die US-Regierung immer wieder darauf hingewiesen, dass ein pauschales Verbot von Chipexporten nach China nichts bringt - im Gegenteil, es zwingt chinesische Ingenieure dazu, ihre eigene Lösung zu finden. Mit Donald Trump ändern sich die Meinungen häufig und schnell. Die Situation auf dem chinesischen Markt kann sich jederzeit ändern. Sollte dies der Fall sein, würde Nvidia sofort mehrere Milliarden Dollar zu seinen derzeitigen Einnahmen hinzufügen.
Eine Euphorie, die nicht lange anhielt
Nvidia-CEO Jensen Huang versuchte, die Anleger nicht nur mit Zahlen, sondern auch mit Worten zu beruhigen. Er selbst hält künstliche Intelligenz nicht für eine Investitionsblase.
"Es wird viel darüber geredet, aber wir beobachten nicht, dass es sich um eine Blase handelt", betonte er. In Bezug auf die leistungsstärksten Blackwell-Chips zeigte er sich sogar noch optimistischer: "Die Blackwell-Verkäufe stürmen die Charts. Die Cloud-GPUs sind ausverkauft."
Nach der Veröffentlichung dieser ausgezeichneten Ergebnisse stiegen die Aktien nachbörslich an. Bei der Markteröffnung ließ das Wachstum allmählich nach. Am Donnerstag, den 13. November, lag der Aktienkurs von Nvidia am Morgen noch im grünen Bereich. Der Wendepunkt kam um 10:37 Uhr New Yorker Zeit, als ein riesiges Aktienpaket zum Verkauf auf den Markt kam. Wieder einmal begannen sich die Märkte zu fragen, wie die ganze Sache mit der künstlichen Intelligenz eigentlich laufen würde.
Verkäufe großer Namen und der Garten des Zweifels
Keiner weiß genau, warum die Märkte gerade jetzt zu zweifeln begannen. Vielleicht ist die Tatsache, dass viele bekannte Investoren ihre Positionen in Nvidia verkauft haben, daran schuld. Wir haben bereits über Michael Burry gesprochen. Die japanische SoftBank hat ebenfalls ein großes Aktienpaket abgestoßen. Peter Thiel verkaufte ebenfalls Aktien - etwa 538 Tausend Stück. Dieser Verkauf dürfte ihm etwa weitere 100 Millionen Dollar eingebracht haben.
Interessanterweise sind die Aktien von Palantir (das von Thiel mitbegründet wurde) aus fundamentaler Sicht um ein Vielfaches überbewertet als die von Nvidia. Beim Vergleich der Fundamentaldaten schneidet Nvidia nicht schlecht ab - viel teurer sind zum Beispiel die Aktien von AMD oder Broadcom.
Der Rückgang der Nvidia-Aktien bleibt daher weitgehend ein Rätsel.
Für wen ist der Frieden in der Ukraine eine schlechte Nachricht?
Amerika hat Ende der Woche seinen Vorschlag zur Beendigung des Krieges in der Ukraine vorgelegt. Die Anleger interessieren sich nicht so sehr für die einzelnen Punkte des Plans, sondern vor allem für das Signal, das die USA damit in die Welt senden: Trump will den Krieg beenden. Sollte er in seiner konkreten Ausgestaltung nicht durchkommen, könnte dies bedeuten, dass sich die Vereinigten Staaten vollständig zurückziehen und die Lösung des Konflikts Europa und der Ukraine allein überlassen. Dies könnte in der Tat zu einem relativ schnellen Ende der Kämpfe führen.
Die Moskauer Börse hat sehr positiv auf die Nachricht von einem möglichen Frieden reagiert - das Ende des Krieges würde eine mögliche Rückkehr ausländischer Investoren bedeuten. Auch der Erdgaspreis ist gesunken, was für alle Europäer im Hinblick auf den kommenden Winter eine gute Nachricht ist. Im Falle eines Friedens dürfte ein niedrigerer Ölpreis folgen.
Diejenigen, die sich nicht über einen möglichen Frieden freuen, sind die Aktionäre von Rüstungsunternehmen. Die deutsche Rheinmetall hat in den letzten fünf Tagen mehr als 14 Prozent an Wert verloren. Wenn man nach aktuellen "Trends" investiert, kommt es nicht nur darauf an, den Trend richtig zu erkennen, sondern vor allem darauf, frühzeitig auszusteigen, wenn die Stimmung am Markt kippt.
Die Rheinmetall-Aktie ist deutlich überbewertet. Auch wenn das Ende des Krieges in der Ukraine nicht automatisch das Ende des Interesses an Rüstungsgütern bedeutet, kann die Aktie sehr schnell wieder nachgeben und zu einer deutlich realistischeren Bewertung zurückkehren.

Was diese Woche zu beachten ist
Von den makroökonomischen Zahlen wird am Mittwoch die Veröffentlichung der US-Inflationsrate das größte Potenzial haben, die Märkte zu beeinflussen. Natürlich werden die Anleger den Technologiesektor als Ganzes weiterhin genau im Auge behalten. Es ist sehr wahrscheinlich, dass sie zunehmend wählerisch werden und eher einzelne Unternehmen kaufen oder verkaufen, als den gesamten Sektor auf einmal.

Das große Thema der kommenden Woche wird der Bitcoin-Kurs sein. Ein Wiederanstieg über die 90-Tausend-Dollar-Marke würde den Anlegern wirklich Kopfzerbrechen bereiten - in der Tat geben immer mehr Kommentatoren zu, dass bitcoin in eine Bärenphase eingetreten ist, die etwa ein Jahr lang andauern dürfte. Ein weiterer deutlicher Rückgang würde diesen Abwärtstrend nur bestätigen.