Es wird nicht einfach sein, der Welt das europäische "Netto-Null" zu diktieren

Nach dem anfänglichen Schock im Jahr 2022 hat sich die Lage bei der Erdgasversorgung Europas beruhigt, wenn auch in einer neuen Preisrealität. Flüssiggaslieferungen aus zwei Ländern, den USA und Katar, spielen dabei eine wichtige Rolle.

Friedrich Merz und Emmanuel Macron. Foto: Michael Kappeler-Pool/Getty Images

Friedrich Merz und Emmanuel Macron. Foto: Michael Kappeler-Pool/Getty Images

Nun haben uns diese beiden EU-Länder daran erinnert, dass es zwar schön ist, große Ambitionen in der Klimapolitik zu haben, dass die EU aber nicht in der Lage ist, sie dem Rest der Welt zu diktieren.

Als Teil des Aufbaus einer umfassenden europäischen Klimagesetzgebung gilt ab 2024 die Methanemissionsverordnung (MERR). Sie verpflichtet Produzenten und Importeure fossiler Rohstoffe zur Überwachung, Verhinderung und Meldung von Methanleckagen bei der Gewinnung dieser Ressourcen.

In diesem Jahr wurde ein weiteres Paket von Klimagesetzen für Unternehmen verabschiedet, dessen Namen ich nicht zu übersetzen versuche: die Richtlinie über die Sorgfaltspflicht von Unternehmen im Bereich der Nachhaltigkeit (CSDDD).

Sie soll ab 2027 schrittweise eingeführt werden und verpflichtet alle Unternehmen in der EU, die einen bestimmten Umsatz überschreiten, zur Einhaltung einer Reihe von Regeln in ihrer gesamten Lieferkette. Die Regeln betreffen zwei Bereiche: die Einhaltung der Menschenrechte und die Erfüllung der Kohlenstoffziele.

Bei Verstößen drohen drakonische Geldstrafen von bis zu fünf Prozent des weltweiten Umsatzes. Das bedeutet, dass beispielsweise dem US-Konzern Exxon eine Strafe von bis zu 15 Milliarden Euro droht, wenn er bei der Förderung und Verarbeitung von Gas in den USA die europäischen Emissionsvorschriften nicht einhält.

Ende Oktober schickten die Energieminister der USA und Katars daher einen offenen Brief an die Staats- und Regierungschefs der EU, den man mit dem Satz zusammenfassen könnte: "Habt ihr euch das gut überlegt, Jungs?" Darin schlugen sie vor, dass sie ein solches Handelsrisiko mit der EU genauso gut auslassen und ihr Gas, das zusammen 70 Prozent der LNG-Importe und ein Fünftel der gesamten Gaseinfuhren der EU ausmacht, stattdessen nach Asien verkaufen könnten.

Dies ist nicht der erste kritische Brief über die CSDDD. Auch innerhalb der EU gibt es Widerstand gegen die neue Verordnung. Während des sogenannten Evian-Treffens mit Friedrich Merz und Emmanuel Macron äußerten 46 Chefs großer europäischer Unternehmen ihre Sorge um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie auf dem Weltmarkt. Mit der CSDDD im Nacken werden ihre Kosten viel höher sein als die der Konkurrenten aus Asien oder Amerika. Das Schreiben war jedoch nicht öffentlich, und als es durchgesickert war, distanzierten sich mehrere Unternehmen von ihm.

Vielleicht fühlen sich die europäischen Beamten deshalb auf den Schlips getreten. Sie messen ihre Politik nicht an den wirtschaftlichen Auswirkungen, sondern an den politischen Folgen, und die Position der EU als Anführerin des Klimakreuzzugs scheint immer noch unerschütterlich.

Einheimische Firmen lassen sich von einem Heer angeheuerter Klima-Lobbyisten einschüchtern, amerikanische oder katarische Firmen hingegen kaum. Aber auch mit ihnen spielt die EU nicht ganz ohne Karten. Die Nachfrage nach einer kohlenstoffarmen Gas- und Ölproduktion ist eine Geschäftschance. Weltweit gibt es erste Beispiele für emissionsarme Projekte, bei denen die Nutzung erneuerbarer Energien mit der unterirdischen Kohlenstoffspeicherung kombiniert wird, die eine solche Aktivität bietet. Der Rohstoff aus einem solchen Projekt kann auf dem Markt einen Spitzenpreis erzielen.

Das Problem ist jedoch, dass es keine internationalen Standards für kohlenstoffarmes LNG gibt und jeder Kunde sich darunter etwas anderes vorstellt. Erste Marktlösungen für eine internationale Zertifizierung werden jedoch bereits angeboten.

Aber kohlenstoffarme Upstream-Projekte kommen nur stückweise auf den Markt und werden bis 2027 nur einen kleinen Teil des weltweiten LNG-Angebots ausmachen. Vielleicht rechnet die EU eher damit, dass die USA und Katar ihren Bluff durchschauen und im Gegenzug für Investitionen in neue Technologien tatsächlich auf den attraktiven europäischen Markt verzichten. Der so genannte Omnibus, ein Gesetzespaket zur Vereinfachung der Berichtspflicht und anderer bürokratischer Vorschriften für europäische Unternehmen, ist mit einigen Zugeständnissen der EU im Rahmen der CSDDD verbunden.

Allerdings ist die EU bei der Planung von Energiestrategien notorisch schlecht. Wir können nur hoffen, dass sie dieses Mal das Spiel und ihre Karten versteht.

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