Das große Versagen der Bundesregierung: Österreich hat bei der Industrie keinen Plan
Die Bundesregierung hat im März 2025 angekündigt, eine umfassende Industrie- und Standortstrategie zu erarbeiten. Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP), Vizekanzler Andreas Babler (SPÖ) und Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) präsentierten das Vorhaben als industriepolitischen Neustart, der Österreich angesichts globaler Spannungen, hoher Energiekosten und struktureller Herausforderungen wieder auf Kurs bringen sollte. Doch die zentrale Zusage, den Industrieplan noch heuer vorzulegen, wurde nicht erfüllt. Ein fertiges Strategiepapier, ein konkreter Maßnahmenkatalog oder ein verbindlicher Zeitplan existieren bis heute nicht. Selbst das angekündigte Abschlusstreffen mit den Sozialpartnern wurde im November abgesagt, ohne neuen Termin oder inhaltlichen Zwischenstand.
Die Regierung hatte angekündigt, Digitalisierung, Energiepolitik, Forschung und Produktionsstandorte in einem gemeinsamen Konzept zu bündeln, Genehmigungsverfahren zu beschleunigen, UVP- und Verwaltungsrecht zu modernisieren sowie Schlüsseltechnologien wie Mikroelektronik, Robotik, künstliche Intelligenz und Life Sciences zu stärken. Dazu sollte ein strukturierter Beteiligungsprozess mit Sozialpartnern, Wirtschaft und Forschungseinrichtungen laufen, dessen Ergebnisse in die Strategie einfließen sollten. Doch aus diesen Bausteinen wurde kein schlüssiges Gesamtbild. Bislang existieren nur fragmentierte Einzelmaßnahmen, die den angekündigten industriepolitischen Befreiungsschlag nicht ersetzen.
Österreichs Industrie wartet auf Orientierung
Aus Wissenschaft und Wirtschaft kommt zunehmend Kritik am fehlenden Fortschritt. WIFO-Chef Gabriel Felbermayr warnte, eine nationale Industriestrategie könne grundsätzlich nicht isoliert geplant werden, weil Österreich in internationale Lieferketten, europäische Energiepolitik und Wettbewerbsordnungen eingebunden sei. Ohne europäische Einbettung sei keine tragfähige industriepolitische Orientierung möglich. Auch die Industriellenvereinigung und die Wirtschaftskammer verweisen darauf, dass die Industrie angesichts hoher Standortkosten und eines schwachen konjunkturellen Umfelds dringend klare politische Unterstützung brauche. Der Präsident der Industriellenvereinigung Salzburg, Peter Unterkofler, betonte, die Industrie befinde sich weiterhin in einer Rezession und benötige strukturelle Reformen, nicht nur punktuelle Förderprogramme. Ebenso bemängeln wirtschaftspolitische Beobachter, der bisherige Prozess wirke wie ein Sammelsurium von Ankündigungen ohne Richtung.

Während Europa und die USA milliardenschwere Programme zum Schutz und Ausbau strategischer Industrien umsetzen, bleibt Österreich ohne klaren industriepolitischen Kompass zurück. Für Unternehmen bedeutet das wachsende Unsicherheit. Investitionen werden aufgeschoben oder ins Ausland verlagert, wichtige Zukunftsbereiche verlieren an Dynamik, und der Standort wirkt unentschlossen in einer Phase globalen Wettbewerbs.
Ein industriepolitisches Konzept, das den Namen verdient, müsste Prioritäten definieren, ressortübergreifend koordiniert werden, Energie-, Forschungs- und Steuerpolitik zusammenführen, den regulatorischen Rahmen modernisieren und langfristige Perspektiven für zentrale Technologien schaffen. Es müsste klar festlegen, wie Österreich seine industrielle Basis sichern, modernisieren und international positionieren will. Nichts davon liegt vor.
Das große Versagen dieser Bundesregierung besteht nicht darin, einen schlechten Plan präsentiert zu haben, sondern darin, überhaupt keinen vorzulegen. Österreich wartet weiter auf eine Strategie, die längst versprochen wurde. Die Verantwortung dafür tragen Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP), Vizekanzler Andreas Babler (SPÖ) und Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) zu gleichen Teilen.