Ursula von der Leyen hat vor Kurzem angekündigt, eine breite Schneise durch den „Dschungel der Bürokratie“ zu schlagen. Doch ausgerechnet ihre eigene Behörde schlägt nun den entgegengesetzten Weg ein. Für den nächsten Mehrjährigen Finanzrahmen 2028 bis 2034 beantragt die Kommission 2500 zusätzliche Vollzeitstellen. Der Großteil dieser Positionen soll auf die Kommission entfallen, die bereits rund 32.000 Mitarbeiter zählt.
Als Begründung werden neue Anforderungen in Cybersicherheit, künstlicher Intelligenz, Verteidigungspolitik, Krisenmanagement und Biotechnologie genannt. Gleichzeitig fordert Brüssel von den Mitgliedstaaten, Genehmigungsprozesse zu beschleunigen, Neubauten zu erleichtern und Verwaltungen zu verschlanken. Während nationale Behörden unter Reformdruck stehen, wächst der zentrale EU-Apparat weiter – ein für viele Mitgliedstaaten widersprüchliches Signal.
Besonders betrifft das jene Länder, die mehr in den EU-Haushalt einzahlen, als sie daraus zurückerhalten. 2023 gehörten zehn Staaten zu diesen Nettozahlern. Deutschland lag mit fast 20 Milliarden Euro an der Spitze, Frankreich mit rund neun Milliarden, die Niederlande und Italien mit jeweils mehr als sechs Milliarden Euro. Österreich trug als mittlerer Nettozahler etwa 1,3 Milliarden Euro zusätzlich bei. Damit zählt die Republik zu jener Gruppe, die jeden strukturellen Ausbau des europäischen Verwaltungsapparats unmittelbar mitfinanziert.
Hinzu kommt die steigende Grundlast durch den regulären EU-Beitrag. Österreich zahlte 2024 laut Budgetdienst 3,3 Milliarden Euro in den EU-Haushalt ein; bis 2026 soll dieser Betrag auf mehr als 4,4 Milliarden Euro steigen. Ein erheblicher Teil dieser Summe entfällt auf die gemeinschaftliche Rückzahlung der Corona-Schulden. Allein dafür rechnet Österreich langfristig mit einer jährlichen Belastung von rund 640 Millionen Euro. Ein größerer Verwaltungsapparat in Brüssel erhöht diese Fixkosten weiter.
Widerstand aus dem Europäischen Parlament
Im Europaparlament formiert sich ungewöhnlich breiter Widerstand gegen die Personalpläne. Abgeordnete kritisieren, dass der Vorstoß im Widerspruch zu den eigenen Bürokratieabbau-Ankündigungen steht. Die Kommission fordere seit Jahren eine Vereinfachung europäischer Programme, schlage jedoch gleichzeitig eine deutliche Aufstockung des Personals vor. Kritiker sehen darin weniger eine Notwendigkeit, sondern eine strukturelle Ausweitung administrativer Macht.
Auch wird darauf hingewiesen, dass viele Aufgaben durch interne Reorganisation und Digitalisierung gelöst werden könnten. Einige Abgeordnete stellen sogar das Beamtenstatut infrage und fordern, die faktische Unkündbarkeit europäischer Beamter zu überdenken, um Effizienz und Verantwortung zu stärken.
Steuerzahler unter Druck – auch in Österreich
Der Europäische Steuerzahlerbund reagiert besonders scharf. Mehr Personal führe erfahrungsgemäß nicht zu weniger, sondern zu mehr Bürokratie. Aus Sicht des Verbandes wären ein schlankeres System, Prozessvereinfachungen und ein gezielter Einsatz von KI der richtige Weg. Statt 2500 neuen Stellen hält man einen Personalabbau im zweistelligen Prozentbereich für angemessen.
Für Österreich ist die Debatte nicht theoretisch. Die Republik weist im Durchschnitt der vergangenen Jahre eine negative Netto-Position von rund einem Viertel Prozent des Bruttonationaleinkommens auf. Das bedeutet, dass Österreich spürbar mehr in den EU-Haushalt einzahlt, als es daraus zurückbekommt. Jeder Ausbau der zentralen Strukturen wirkt sich damit unmittelbar auf die nationale Budgetlage aus — zu einer Zeit, in der auch Österreich selbst über Entbürokratisierung, effizientere Verwaltungsstrukturen und beschleunigte Bau- und Umweltverfahren diskutiert.
Ein Glaubwürdigkeitsproblem
Die Personalpläne der Kommission öffnen ein grundlegendes Glaubwürdigkeitsproblem. Während Europa wirtschaftlich und geopolitisch unter hohem Druck steht und die Mitgliedstaaten ihre Verwaltungen modernisieren sollen, wächst Brüssel weiter. Österreich, Deutschland, die Niederlande, Schweden und andere Nettozahler tragen diese Entwicklung finanziell – und erwarten im Gegenzug, dass die EU den eigenen Reformanspruch auch gegenüber sich selbst anwendet.
Ob die 2500 neuen Stellen tatsächlich beschlossen werden, bleibt offen. Die Kritik im Parlament ist selten so breit gewesen, und auch im Rat dürfte die Bereitschaft gering sein, den Verwaltungsapparat ohne zwingende Begründung auszubauen. Die Entscheidung wird zeigen, ob die EU bereit ist, die gleiche Disziplin einzufordern, die sie von ihren Mitgliedstaaten verlangt.
(Rare)