Die Regierung hat am Mittwoch den früheren EU-Kommissar Johannes Hahn zum neuen Präsidenten des Generalrats der Oesterreichischen Nationalbank bestellt. Der 68-jährige langjährige EU-Kommissar folgt auf Harald Mahrer, der nach seinem Rücktritt als Wirtschaftskammerchef auch sein Amt in der OeNB zurückgelegt hat. Hahns Funktionsperiode läuft ab 1. Jänner 2026 für fünf Jahre. Das Vorschlagsrecht für diesen Posten liegt gemäß Koalitionsvertrag bei der ÖVP; Kanzler Christian Stocker lobte die Entscheidung als „stabil und erfahren“, SPÖ und Neos stimmten zu.
Ein Wiener Aufsteiger
Hahns Weg an die Spitze des obersten Aufsichtsgremiums der Nationalbank reicht Jahrzehnte zurück und begann in der Wiener ÖVP. Bereits Anfang der 1980er-Jahre führte er die Junge Volkspartei der Bundeshauptstadt und stieg zugleich zum stellvertretenden Bundesobmann der JVP auf. Parallel dazu war er im Österreichischen Bundesjugendring aktiv und sammelte früh politische Netzwerkerfahrung.
1983 wurde Hahn persönlicher Sekretär des damaligen ÖVP-Generalsekretärs – ein Posten, der ihm Zugang zu den inneren Strukturen der Partei eröffnete. Nach einer Phase in der Wirtschaft – unter anderem bei der Industriellenvereinigung und später im Management eines Industriekonzerns – kehrte er 1992 in die Politik zurück: als Landesgeschäftsführer der ÖVP Wien.
Ab 1996 saß Hahn im Wiener Landtag und Gemeinderat, wo er für Gesundheitsfragen zuständig war. 1999 übernahm er die Bezirksorganisation der ÖVP in der Wieden. Sein strategischer Aufstieg kulminierte 2005: Hahn wurde Landesparteiobmann und Spitzenkandidat. Bei der Gemeinderatswahl konnte die ÖVP unter seiner Führung die FPÖ überholen und wurde zweitstärkste Kraft hinter der SPÖ. Damit war Hahn endgültig in der ersten Reihe der Wiener Parteipolitik angekommen.
2007 wechselte Hahn in die Bundesregierung und wurde Wissenschaftsminister. Die Jahre an der Spitze des Forschungsressorts markierten seinen Übergang von der Stadt- zur Bundespolitik. Bereits 2010 ging er nach Brüssel, wo er 14 Jahre lang als EU-Kommissar arbeitete – zunächst für Regionalpolitik, später für Europäische Nachbarschaftspolitik und ab 2019 für Haushalt und Verwaltung. Seit Mai 2025 ist er zudem EU-Sonderbeauftragter für Zypern.
Seine europäische Karriere hat Hahn in europäischer Budgetpolitik, Verwaltungsreform und komplexen multilateralen Verhandlungen geschult. Der Kanzler verwies am Mittwoch ausdrücklich auf diese Expertise: Hahn habe „über Jahrzehnte gelernt, Entscheidungen unter schwierigen Rahmenbedingungen zu treffen“.
Aufgaben und Einfluss in der OeNB
Der Generalrat der Nationalbank berät das Direktorium, ist in dessen Besetzung eingebunden und entscheidet über die interne Geschäftsverteilung. Er ist kein operatives geldpolitisches Organ, aber ein strategisch relevantes Aufsichtsgremium der OeNB, die wiederum Teil des Eurosystems ist.
Gerade angesichts der angespannten europäischen Haushaltslage, der Debatten über Kapitalausstattung von Zentralbanken und der zunehmenden politischen Sensibilität rund um Finanzmarktfragen gilt Hahns EU-Hintergrund als Vorteil. Die Bestellung soll in der Koalition als Signal der Kontinuität und Berechenbarkeit verstanden werden.
Private Nähe zur Finanzbranche
Hahns Ehefrau, Susanne Riess-Hahn, ist Vorstandschefin der Wüstenrot-Gruppe. Weil die OeNB an der Bankenaufsicht beteiligt ist, stand rasch die Frage nach einem möglichen Interessenkonflikt im Raum. Die Bundesregierung verweist jedoch darauf, dass der Generalrat nicht operativ mit Aufsichtsthemen befasst sei und daher keine Compliance-Probleme entstehen.
Mit Johannes Hahn übernimmt ein politisch erfahrener, europaweit vernetzter und in Wien geerdeter ÖVP-Mann die Spitze des Generalrats der Nationalbank. Sein Werdegang zeigt eine seltene Kombination aus Parteipolitik, Verwaltungserfahrung und europäischem Management. Für die OeNB bedeutet das einen Präsidenten, der mit Machtarchitekturen umgehen kann – national wie international.