Unter den Reform-Ideen von Sepp Schellhorn: Telefax-Befreiung und Tinten-Pflicht

Telefax, Flaschenzwang auf der Alm, längere Pickerl-Intervalle: Mit 113 Mini-Reformen will Sepp Schellhorn Österreich von der Bürokratie befreien. Vieles ist vernünftig – doch zur großen Standortreform reicht es noch nicht.

Soll das Land deregulieren: Sepp Schellhorn (Neos). Foto: Neos / Honorarfrei

Soll das Land deregulieren: Sepp Schellhorn (Neos). Foto: Neos / Honorarfrei

Österreich schafft die Telefaxnummer ab – zumindest im Umweltmanagementgesetz. Almwirte dürfen Getränke künftig offen ausschenken, statt Flaschenvorgaben erfüllen zu müssen. Und Kleinbadeteiche, bislang in einer Badehygiene-Verordnung eingezwängt, die eigentlich für klassische Schwimmbecken gedacht war, erhalten endlich eine eigene, zeitgemäße Regelung.

Gerade diese Kleinbadeteiche zeigen plastisch, wie umständlich Verwaltung werden kann: Sie sind weder Chlorbecken noch öffentliche Gewässer, haben keine Wasseraufbereitung und bergen deshalb höhere Keimrisiken. Trotzdem galt für sie bisher ein Flickwerk an Vorschriften, das eher an Hallenbäder erinnert als an natürlich bewirtschaftete Teiche. Künftig sollen eigene, praxisnahe Standards gelten, die technische Entwicklungen berücksichtigen, Klarheit für Betreiber schaffen und den Behörden eine verständlichere Vollzugslage bieten.

Was wie ein satirischer Rundflug durch österreichische Sondervorschriften wirkt, ist tatsächlich Teil der 113 Punkte, mit denen Deregulierungsstaatssekretär Sepp Schellhorn die Bürokratiekosten von offiziell 15 Milliarden Euro senken will.

Gut gemeint ist vieles in diesem Paket. Die Frage bleibt: Bringt uns das wirklich nach vorne – oder räumt die Regierung vor allem skurrile Altlasten weg und verkauft es als großen Befreiungsschlag?

Faxgeräte, Flaschen, Pickerl: Symbolische Entrümpelung

Im Umweltmanagementgesetz entfällt die Pflicht, eine Telefaxnummer anzugeben. Wer bislang ein Umweltmanagement-System anmeldete, musste offiziell noch ein Faxgerät besitzen. Künftig genügt die – im Jahr 2025 nicht ganz überraschende – digitale Kommunikation.

Auf den Almen fällt der Zwang weg, Getränke nur in Flaschengebinden auszuschenken. Almwirtschaften sollen „zeitgemäß“ und abfallarm arbeiten können. Statt Mehrwegflaschen über Schotterwege zu schleppen, können Hüttenbetreiber künftig offen ausschenken.

Beim „Pickerl“ werden die Intervalle verlängert: von 3:2:1 auf 4:2:2:2:1 Jahre. Österreich nähert sich damit europäischen Standards an und erspart Autofahrern zusätzliche Werkstatttermine. Parallel dazu soll die Aufbewahrungspflicht für Gutachten verkürzt werden.

Dazu kommen weitere Kuriositäten: In der Seeschifffahrtsverordnung wird das Gebot gestrichen, dass Dokumentationen mit Tinte oder Kugelschreiber zu führen sind. Auf Schiffen darf es künftig also auch digital sein. Wer Werbeveranstaltungen anmeldet, muss dies nicht mehr sechs Wochen vorher tun, sondern vier.

Das alles ist vernünftig, zeitgemäß – und zeigt zugleich, wie alt ein Teil der österreichischen Regelwelt tatsächlich geworden ist. Doch mit Fax und Flaschen allein gewinnt man keinen internationalen Standortwettbewerb.

https://twitter.com/FHollwarth/status/1996452971094425700

Digitalisieren, verknüpfen, auswerten: Der große Datenblock

Der größte Teil des Pakets dreht sich nicht um Almromantik, sondern um Datenflüsse. Schellhorns Grundidee: Einmal erfasste Informationen sollen mehrfach nutzbar sein, manuelle Meldungen entfallen.

Statistik Austria soll stärker auf Registerdaten, experimentelle Statistiken, Web-Scraping und Mobilfunkdaten setzen, um Unternehmen und Bürger von Meldepflichten zu entlasten. Meldeintervalle werden geprüft, Datenströme mit anderen Registern automatisiert, digitale Reportinginstrumente ausgebaut.

Das zieht sich durch fast alle Bereiche:

– Der Datenaustausch zwischen AMS und Sozialbehörden soll täglich und automatisiert erfolgen, damit Doppelprüfungen wegfallen.
– Im Steuerbereich sollen Standard Audit Files (SAF-T) eingeführt werden, damit Unternehmen Buchhaltungsdaten standardisiert digital an die Finanz übermitteln.
– Das gesamte Abgabeverfahren – von Gebühren über Grunderwerb- bis Flugabgabe – soll vollständig digitalisiert werden.
– Ein bundesweiter One-Stop-Shop für Förderungen soll Anträge vereinheitlichen, eine Förder-Task-Force erarbeitet eine Bundesstrategie und Checklisten.
– Energieausweise sollen in einer einheitlichen, digitalen Datenbank gespeichert werden, Volksbegehren digitaler und niederschwelliger eingebracht werden können.
– ID Austria wird ausgebaut: historische Meldebestätigungen online, Alterskontrolle in Automatenshops via E-ID, digitales Gästeblatt in Hotels.

Aus Sicht der Verwaltung klingt das schlüssig: weniger Medienbrüche, schnellere Verfahren, mehr Transparenz. Aus Sicht der Bürger und Unternehmen bedeutet es aber auch: noch mehr zentrale Datenhaltung, noch mehr Vernetzung, noch mehr Auswertungsmöglichkeiten – bis hin zu Mobilfunkdaten und Web-Scraping.

Schellhorn spricht vom Bürokratieabbau, tatsächlich handelt es sich an vielen Stellen um Bürokratieverlagerung: von Formular und Schalter in Register, Schnittstellen und Dashboards. Das kann effizienter sein, macht den Staat aber nicht automatisch schlanker.

Entlastung für Betriebe – oder neue Pflichten im neuen Gewand?

Eine zweite große Gruppe von Maßnahmen zielt direkt auf Unternehmen und Standorte. Hier wird das Paket deutlich handfester.

Genehmigungen und Verfahren:

– UVP-Verfahren sollen vereinfacht und beschleunigt werden.
– Das Abfallwirtschaftsgesetz wird dereguliert, Inspektionen zwischen verschiedenen Materiengesetzen besser koordiniert.
– Es soll einen echten One-Stop-Shop bei Genehmigungs- und Bauverfahren geben: ein Projekt, ein Verfahren, ein Bescheid.
– Der Grundsatz „Beraten statt Strafen“ im Betriebsanlagenrecht wird ausdrücklich betont.
– Für aufgegebene Gewerbestandorte soll es ein Standortbereinigungsverfahren geben, damit Eigentümer nicht mehr an Karteileichen im GISA hängen.

Energie und Klimawende:

– PV-Anlagen und E-Ladestationen für Betriebe werden vollständig genehmigungsfrei.
– Kleinkläranlagen, Versickerungen und Wasser-Wasser-Wärmepumpen sollen einfache Anzeigeverfahren erhalten.
– Das EABG soll Genehmigungen für kleinere Energieprojekte beschleunigen.

Gewerbe und Standort:

– Mit „GISA Express“ soll die Gewerbeanmeldung ab 2026 vollständig digital und sofort möglich sein – inklusive Smartphone-Anmeldung.
– Urkunden im Gewerbeverfahren dürfen auf Englisch eingereicht werden, Beglaubigungs- und Übersetzungspflichten werden reduziert.
– Die Grace Period für Auflagen nach Betriebsübergaben wird von drei auf fünf Jahre verlängert, um Familienbetriebe beim Generationenwechsel zu entlasten.
– Alte Betriebsanlagen sollen flexibler weitergenutzt werden können, ohne ständig neue Verfahren auslösen zu müssen.

Dazu kommen kleinere, aber praktische Erleichterungen wie das digitale Gästeblatt im Tourismus, klarere Regeln für die Preisauszeichnung in Hotels oder das Ende der Pflicht, eine beglaubigte Abschrift der Konzessionsurkunde im Lkw mitzuführen.

Aus Sicht der Wirtschaft ist vieles davon sinnvoll. Dennoch bleibt der Eindruck, dass es sich eher um eine Summe von Verbesserungen im Detail handelt als um eine große Strukturreform. Lohnnebenkosten, Körperschaftsteuer, Bauordnungen, Raumordnung oder die Zersplitterung von Zuständigkeiten bleiben unangetastet.

Schulen, Justiz, Verwaltung: Viele Prüfaufträge, wenig Revolution

Auch im Bildungs- und Justizbereich räumt Schellhorn auf – oder kündigt es zumindest an.

Schulen sollen durch moderne IT-Verwaltungssysteme entlastet werden, Ressourcenmanagement und Personaleinsatz flexibler werden, doppelte Förderdokumentation entfallen. Testungen sollen reduziert und technisch modernisiert werden. Ein zentraler Punkt aus dem ersten Entwurf – eine Optimierung der Bildungsdirektionen – ist im finalen Papier bereits wieder gestrichen. Ein Lehrstück zum Thema Föderalismus.

In der Justiz sollen Berichte zusammengelegt, Doppelmeldungen abgebaut und Maßnahmen zur Entlastung von Gerichten und Staatsanwaltschaften erarbeitet werden. Hier ist auffällig viel von „Arbeitsgruppen“, „Aufgabenkritik“ und „Maßnahmenpaketen“ die Rede. Konkrete Einschnitte oder Vereinfachungen bleiben eher abstrakt.

Beim Steuer- und Unternehmensrecht werden Buchführungsgrenzen angehoben, QR-Codes für Einkommensteuervorauszahlungen geplant, das Aktivierungsverbot für selbst geschaffene immaterielle Vermögenswerte soll gelockert werden, um Start-ups bei der Kapitalaufnahme zu helfen. Jahresabschlüsse müssen nicht mehr im Amtsblatt der Wiener Zeitung veröffentlicht werden, die Digitalisierung der Aufbewahrungspflichten wird fortgesetzt.

Das ist alles sinnvoll, passt ins Bild einer moderneren Rechtsordnung – wirkt aber wie der Versuch, ein über Jahrzehnte gewachsenes Normenlabyrinth mit vielen kleinen Schnitten zu lichten, statt den Plan des Hauses neu zu zeichnen.

Gut gemeint – und jetzt?

Fasst man die 113 Maßnahmen zusammen, ergibt sich ein klares Bild:

– Altmodische Vorschriften werden gestrichen (Faxpflicht, Flaschengebinde, Tinte-Regelungen, doppelte Berichte).
– Analoge Prozesse werden digitalisiert (Abgaben, Energieausweise, Förderungen, Gewerbe, Gästeblätter, Bundesheer).
– Genehmigungsverfahren sollen beschleunigt, Inspektionen gebündelt, Schwellenwerte angepasst, Berichtspflichten reduziert werden.

Was das Paket kaum leistet: die wirklich großen Bremsklötze für Investitionen, Bauen, Arbeiten und Wohnen zu lösen. Die Bauordnungen der Länder, komplizierte Umweltauflagen im Zusammenspiel mit Anrainerrechten, die hohe Abgabenlast auf Arbeit, die Vielzahl von Zuständigkeiten quer durch Bund, Länder und Gemeinden – all das wird nicht angetastet.

Schellhorn liefert ein technokratisches Optimierungsprogramm mit teils grotesken Einzelanekdoten von der Alm bis zum Faxgerät. Das ist besser, als nichts zu tun. Es entlastet Unternehmen und Bürger in vielen Details, sorgt mit mehr Digitalisierung für schnellere Abläufe und beseitigt einige Bürokratie-Dinosaurier.

Ob Österreich damit vom Hochsteuer- und Hochregulierungsland zum echten Reformstandort wird, ist eine andere Frage. Die verrücktesten Ideen im Paket sind am Ende vor allem ein Symptom: Man sieht, wie rückständig die Rechtslage an vielen Stellen ist. Die eigentliche Standortreform steht damit aber noch immer aus.