Wie der echte Nikolaus drei Jungfrauen vor dem Bordell rettete

Der historische Nikolaus war kein pausbäckiger Weihnachtsmann, sondern ein Bischof, der drei junge Frauen vor dem Bordell rettete. Ein Blick in die Geschichte zeigt: Er war mehr als Schokolade, Werbung und roter Mantel.

Foto: Lepale / Pixabay

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Hinter dem Nikolaus steckt weit mehr als der pausbäckige Mann im roten Mantel, der heute auf Weihnachtsmärkten für Selfies posiert. Tatsächlich geht der bekannteste Heilige der Christenheit auf einen Bischof zurück, der im 4. Jahrhundert im kleinasiatischen Myra wirkte – im Gebiet der heutigen Türkei. Und dieser Nikolaus rettete, einer alten Legende zufolge, drei junge Frauen vor einem Leben im Bordell.

Ein Heiliger mit weltweiter Strahlkraft

In der Ostkirche ist Nikolaus bis heute der wohl populärste Heilige überhaupt. „Wenn der liebe Gott mal stirbt, dann wählen wir den Nikolaus als Nachfolger“, lautet ein russisches Sprichwort, das die Kunsthistorikerin Eva Haustein-Bartsch gern zitiert. In Deutschland dagegen ist die Figur im Weihnachtsbetrieb weitgehend vom amerikanischen Weihnachtsmann überlagert.

Um die ursprüngliche Gestalt des Heiligen wieder ins Bewusstsein zu rücken, zeigte etwa das Ikonen-Museum im deutschen Recklinghausen eine große Sonderausstellung. Die Kustodin Haustein-Bartsch hatte dafür 114 von insgesamt 250 Nikolaus-Ikonen ausgewählt – Gemälde, Metalltafeln, Hinterglasmalereien und Reliefs vom 11. bis zum 19. Jahrhundert. Viele von ihnen erzählten nicht nur vom Heiligen selbst, sondern von den Wundern, die ihm zugeschrieben werden.

Die Rettung der drei Schwestern

Besonders eindrucksvoll ist die Darstellung jener Legende, die heute als Ursprung des Bescherens am Vorabend des Nikolaustags gilt. Sie erzählt von drei verarmten Schwestern, deren Vater sie wegen auswegloser Armut ins Bordell geben wollte. Als Nikolaus davon erfuhr, warf er – unerkannt und nachts – drei Beutel Gold durch das Fenster des Hauses. Jede der Frauen konnte damit verheiratet werden und entkam so dem Schicksal, verkauft zu werden.

Haustein-Bartsch schildert die Szene als Kern dessen, was Nikolaus ausmacht: tätige Nächstenliebe und ein tiefer Glaube daran, dass Hilfe nicht angekündigt werden muss, um wirksam zu sein. In einer Zeit ohne soziale Absicherung entschieden solche Gesten oft über das Leben der Betroffenen.

Ikonen als erzählende Kunstwerke

Das Recklinghäuser Museum besitzt die größte Sammlung ostkirchlicher Kunst in der westlichen Welt. Ein Teil der Ikonen zeigt Nikolaus als „Heiligen für alle Fälle“ – ein Retter verurteilter Unschuldiger, Beschützer der Seefahrer und Tröster der Verzweifelten. Die Besucher erleben diese Darstellungen als kleine Geschichten: fein ausgearbeitete Bildfelder, Ornamente und figürliche Szenen, die den Heiligen in Aktion zeigen.

Auch die sowjetische Geschichte erscheint am Rand der Ausstellung. Während viele Kirchen geschlossen wurden, blieb die Nikolaus-Kirche in St. Petersburg geöffnet. Bis heute findet sich in beinahe jedem russischen Haushalt eine Nikolaus-Ikone – unabhängig davon, ob jemand gläubig ist oder nicht.

Zwischen Ikone und Werbefigur

Schnell wird klar, wie weit der moderne Weihnachtsmann vom historischen Bischof von Myra entfernt ist. Die Mitra, der Krummstab, das aufgeschlagene Buch – all das kennzeichnet den Heiligen, der Prediger, Fürsprecher und Wohltäter war. Der rotgewandete Mann mit Rauschebart hingegen ist eine Schöpfung der Werbung, ein Symbol einer globalisierten Weihnachtsindustrie. Der historische Nikolaus war kein Konsumidol, sondern ein Mann, der sein Erbe verteilte, um andere zu retten.

Die Rückkehr des echten Nikolaus

Vielleicht ist das der Grund, warum die Figur des Heiligen gerade heute wieder an Bedeutung gewinnt: als Gegenbild zu einem Weihnachtsbetrieb, der sich zunehmend von seiner eigenen Geschichte entfernt. Der Nikolaus, den die Ikonen zeigen, ist ein Mensch mit Haltung – und ein Vorbild dafür, wie stilles Handeln ganze Biografien retten kann.