Ein Umzug von Baden nach Wien bringt Migranten 70.000 Euro mehr

Ein Ortswechsel von Niederösterreich nach Wien kann Schutzberechtigten zehntausende Euro mehr bringen – ein sozialpolitischer Unterschied mit klarer Wirkung. Statement hat dazu die Zahlen.

Migranten am Westbahnhof in Wien. Foto: Alex Domanski/Getty Images

Migranten am Westbahnhof in Wien. Foto: Alex Domanski/Getty Images

Ein paar Kilometer können finanziell einen erheblichen Unterschied machen: Wer als anerkannter Schutzberechtigter aus der niederösterreichischen Grundversorgung nach Wien übersiedelt, steigt von einem kargen Tagessatz auf die volle Mindestsicherung um. Auf zehn Jahre ergibt sich daraus ein fünfstelliger Zusatzbetrag – ohne einen einzigen Arbeitstag.

Politisch pikant: In Wien regieren SPÖ und NEOS, in Niederösterreich ÖVP und FPÖ – zwei völlig unterschiedliche sozialpolitische Ansätze, die sich in klar abweichenden Leistungen widerspiegeln.

Vom Tagessatz zur Mindestsicherung

Die Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde ist bundesweit geregelt. In organisierten Quartieren erhalten Quartiergeber einen Tagessatz von 19 Euro pro Person für Unterkunft und Verpflegung; zusätzlich gibt es 40 Euro Taschengeld pro Monat. Rechnet man mit 30 Tagen, ergibt sich in Niederösterreich ein Gegenwert von 610 Euro pro Monat – wobei Unterkunft, Heizung und Verpflegung bereits inkludiert sind; frei verfügbar bleibt lediglich das Taschengeld.

Ganz anders die Lage, sobald ein anerkannter Flüchtling oder subsidiär Schutzberechtigter in Wien Anspruch auf die volle Sozialhilfe/Mindestsicherung hat. Für alleinstehende Erwachsene beträgt der Mindeststandard 2025 exakt 1209,01 Euro pro Monat. Und Wiens Sozialstadtrat Peter Hacker gibt auch offen zu, dass auch Nicht-Österreicher den gleichen Betrag erhalten sollen wie Österreicher - so soll Kriminalität von Zuwanderern nicht ausufern.

Die Differenz ist erheblich: 600 Euro pro Monat mehr in Wien. Das entspricht 7000 Euro pro Jahr, knapp 36.000 Euro in fünf Jahren und 72.000 Euro in zehn Jahren. Dass ein syrischer Flüchtling durch eine Übersiedlung von Klosterneuburg nach Wien-Döbling in zehn Jahren mehr als 70.000 Euro zusätzlich lukrieren kann, ist damit realistisch.

Wien als Magnet für Syrer und Afghanen

Die finanzielle Attraktivität trifft auf eine Stadt, die ohnehin im Zentrum der Migration nach Österreich steht. Wien zählt heute über zwei Millionen Einwohner, knapp die Hälfte davon Menschen mit ausländischer Herkunft. Unter ihnen stechen Syrer und Afghanen besonders hervor: Mehr als 65.000 Personen in Wien haben syrische Wurzeln, fast 100.000 Syrer leben in ganz Österreich. Bei Afghanen lag Wien bereits vor einigen Jahren bei mehr als 21.000 gemeldeten Personen – ein Anteil, der seither weiter gestiegen ist.

Zudem verzeichnen diese Herkunftsgruppen laut Migrationsjahrbuch die höchste Arbeitslosenquote am österreichischen Arbeitsmarkt. Ein beträchtlicher Teil ist zumindest zeitweise auf Grundversorgung oder Mindestsicherung angewiesen und damit direkt von den Leistungsunterschieden zwischen den Bundesländern betroffen.

Die Relationen zum Herkunftsland

Erst der Vergleich mit den Einkommensverhältnissen in Syrien und Afghanistan zeigt die Dimensionen. Internationale Statistiken weisen für Afghanistan etwa 29 Euro als durchschnittliches Monatseinkommen aus. Für Syrien liegen die Werte zwischen 25 und 80 Euro pro Monat, abhängig von Quelle und Jahr.

Demgegenüber stehen:

– 610 Euro Gegenwert in der niederösterreichischen Grundversorgung (inklusive Unterkunft, Verpflegung und medizinischer Versorgung)
– 1209 Euro Mindestsicherung in Wien – monatlich und frei verfügbar

Damit bezieht ein Schutzberechtigter in Niederösterreich bereits das Vielfache des durchschnittlichen Einkommens im Herkunftsland. Ohne zu arbeiten. Ein Umzug nach Wien verstärkt diesen Abstand nochmals deutlich.

Politische Verantwortung und unterschiedliche Modelle

Die rechtlichen Grundlagen für Grundversorgung und Sozialhilfe sind bundesweit vorgegeben, ihre konkrete Ausgestaltung jedoch Sache der Länder. Wien – regiert von SPÖ und NEOS – nutzt diesen Spielraum traditionell großzügig. Niederösterreich – geführt von ÖVP und FPÖ – setzt auf ein deutlich restriktiveres Modell.

Für die Praxis bedeutet das: Ein und dieselbe Person erhält je nach Bundesland völlig unterschiedliche staatliche Leistungen, obwohl sie sich nur wenige Kilometer weiterbewegt. Das erzeugt Anreize für Wanderbewegungen und verschärft die politischen Spannungen zwischen Großstadt und Umland.

Dass ein Schutzberechtigter durch eine Übersiedlung aus Baden oder Klosterneuburg nach Wien über zehn Jahre hinweg Summen im Bereich von 60.000 bis 70.000 Euro zusätzlich beziehen kann, zeigt die Systemfrage dahinter: Österreich verfügt nicht über ein einheitliches soziales Leistungsniveau, sondern über geografisch bedingte Unterschiede, die für bestimmte Gruppen erhebliche finanzielle Bedeutung haben.