Deutsch-Defizite: Versprochene Sprachförderung in Kindergärten gescheitert

Fast die Hälfte der Wiener Erstklässler spricht nur mangelhaft Deutsch. Die Politik versprach eine besondere Sprachförderung bereits in den Kindergärten mit 500 Lehrkräften. Doch daraus wurde nichts. Jetzt soll nächstes Jahr alles besser werden.

WIEN. 44,6 Prozent der Erstklässler an öffentlichen Volksschulen haben mangelhafte Deutschkenntnisse. In sieben Wiener Bezirken liegt der Wert sogar über 50 Prozent: Margareten (73,8 %), Favoriten (63,1 %), Meidling (53,5 %), Rudolfsheim-Fünfhaus (61,8 %), Ottakring (62,1 %), Hernals (50,8 %) und Brigittenau (62,7 %). Die Zahlen stammen von Christoph Wiederkehr (Neos), dem früheren Wiener Bildungsstadtrat und heutigen Bundesminister und halten den Stand der Erkenntnisse vonm Jahresende 2024 fest. Besonders brisant sind die Zahlen im Kontext der Einanderungspolitik, denn 61 Prozent der aktuell 8.342 Erstklässler mit mangelhaften Deutschkenntnissen wurdne bereits als zweite Generation in Österreich geboren und 24 Prozent haben sogar die österreichische Staatsbürgerschaft. Erfolgreiche Integration schreibt andere Zahlen.

Die betroffenen Kinder haben zwar zuvor einen Kindergarten besucht, das letzte Jahr vor Schuleintritt sogar verpflichtend, doch ihre erworbene Sprachkompetenz ist niederschmetternd. In den vergangenen fünf Jahren ist der Anteil der Jungen und Mädchen mit Sprachförderbedarf in öffentlichen elementaren Bildungsstätten von 25 auf 30 Prozent gestiegen. Eine Zunahme von 14.219 auf 16.824 Kinder, wie aus dem Antwortbericht hervorgeht, den die Wiener Bildungsstadträtin Bettina Emmerling aktuell bei der ÖVP erfragte. (siehe Grafik).

Grafik Kindergärten
Quelle: Wiens Bildungsstadträtin Bettina Emmerling (Neos)

Gegen die anhaltende Deutsch-Misere in den Kindergärten versprachen die Bildungspolitiker der Neos seit 2022 immer wieder Lösungen . Anfang dies Kindergartenjahres wurden 500 Sprachförderkräfte in den Einrichtungen als Ziel bis Ende 2025 ausgegeben. Doch davon ist man weit entfernt. Die Zahl der gesondert geschulten Pädagogen stieg zwar in den Jahren 2020 bis 2023 von 294 auf 397 an - doch seitdem stagniert die Zahl fast. Aktuell sind es 402. Gemessen an Vollzeitkräften ist sie sogar leicht rückläufig, weil viele Sprachförderkräfte lieber in Teilzeit arbeiten.

Emmerling räumte ein, die gesteckten Ausbauziele verpasst zu haben. Als Gründe nannte sie die Kündigung angestellter Förderkräfte, potentielle Nachrücker hätten sich lieber für Alternativangebote entschieden, heißt es in der Anfragebeantwortung.

Steigender Bedarf, weniger Förderung

Trotz ausgerufener "Deutschoffensive" von Bildungsminister Wiederkehr zu Beginn des aktuellen Kindergartenjahres ist die Politik daran gescheitert, den Kreis der geförderten Kinder zu erweitern. Im Kindergartenjahr 2020/21, als die Neos das Bildungsressort einst übernahmen, erhielten knapp 56,8 Prozent der Kinder, die Bedarf hatten, tatsächlich Sprachförderung. Von 16.157 Kindern in von der Stadt finanzierten elementaren Bildungseinrichtungen, die im Kindergartenjahr 2023/2024 Sprachförderbedarf hatten, wurden jedoch nur 9.047 tatsächlich zusätzlich unterstützt.

Die in Wien oppositionelle ÖVP sieht im vorschulischen Bereich ein komplettes Versagen: "Kinder, die nicht Deutsch sprechen, sind schon durchschnittlich zwei Jahre in den Kindergarten gegangen. Es muss dort angesetzt werden, wo wir die Kinder erreichen – eben im Kindergarten. Denn jedes Kind, das in Wien geboren ist, muss bei Schuleintritt Deutsch können", warnte Wiens damaliger ÖVP-Chef Karl Mahrer schon im vergangenen Frühjahr. Sein Parteifreund Harald Zierfuß reagierte verärgert auf die Beantwortung seiner Anfrage an die Wiener Bildungsstadträtin: "Das Problem ist größer, die Deutschförderung aber schlechter geworden."

Neues Versprechen: Nächstes Jahr wird alles besser

Für das kommende Jahr geloben die Neos-Politiker Besserung, neue Sprachförderkräfte sollen kommen. Bis Ende des Jahres würden zwei weitere Ausbildungslehrgänge für Sprachförderkräfte von der Magistratsabteilung 10 (Kindergärten) durchgeführt. An diesen nehmen jeweils 25 Personen teil. Dazu kommt, dass Elementarpädagogen, die ihre Kolleg-Ausbildung im Februar 2026 abschließen werden, bereits das Fach „frühe sprachliche Bildung und Förderung“ in ihrer Ausbildung absolvieren. Sie gelten dann per Gesetz auch als Sprachförderkräfte.