Das neue Ukraine-Hilfspaket der EU: Österreich könnte für 5,5 Milliarden Euro haften müssen

Neue interne Dokumente der EU-Führung zeigen bereits, wie die Haftungen für das neue Hilfspaket für die ukrainische Regierung aufgeteilt werden sollen - ohne Gegenwehr wird Österreich zu einem gewaltigen Finanzrisiko verpflichtet werden.

Wolodymyr Selenskyj und Ursula von der Leyen. Foto: Nicolas Economou/NurPhoto via Getty Images

Wolodymyr Selenskyj und Ursula von der Leyen. Foto: Nicolas Economou/NurPhoto via Getty Images

Das neue Finanzierungsmodell der Europäischen Kommission zur weiteren Unterstützung der Ukraine aus bisher eingefrorenem russischen Vermögenswerten benötigt die Haftung der EU-Mitgliedstaaten: Laut internen EU-Dokumenten, die dem Nachrichtenmagazin POLITICO vorliegen, müssten die EU-Nationen Garantien von insgesamt bis zu 210 Milliarden Euro übernehmen.

Für Österreich würde sich aus der geplanten Lastenverteilung ein Haftungsrahmen von 5,5 Milliarden Euro ergeben. Damit würde das Land - wie bei früheren EU-Instrumenten - erneut erhebliche finanzielle Risiken übernehmen, ohne direkten Einfluss auf die Verwaltung der zugrunde liegenden Vermögenswerte zu haben.

Und bekanntlich läuft aufgrund der dramatisch schlechten Budget-Zahlen in Wien ein EU-Defizitverfahren gegen Österreich, das die Republik zu einem dramatischen Sparkurs zwingen soll - aber sicher nicht zu einer Übernahme weiterer Milliarden-Haftungen für Ausfälle, die bei einem für Russland vorteilhaften Kriegsende in der Ukraine ziemlich sicher auch noch Österreichs Staatshaushalt belasten würden.

Größte Last für Deutschland, aber auch Österreich stark betroffen

Den höchsten Anteil der Garantien müsste Deutschland tragen: Bis zu 52 Milliarden Euro soll Berlin im Fall eines Ausfalls absichern. Die Haftungen werden nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit aufgeteilt, könnten aber weiter steigen, falls einzelne Länder nicht teilnehmen. Als Risiko gilt insbesondere Ungarn, das bereits andere Ukraine-Hilfen blockiert hatte. Sollte Budapest auch diesmal ausscheren, müsste der Haftungsanteil der übrigen Staaten steigen - damit auch jener Österreichs.

Der Hintergrund: 185 Milliarden Euro an russischen Vermögenswerten liegen beim Brüsseler Verwahrinstitut Euroclear, weitere etwa 25 Milliarden Euro bei Privatbanken in der EU. Die Kommission plant, auf Basis dieses Gesamtvolumens einen Kredit über 165 Milliarden Euro zu ermöglichen, ergänzt durch weitere Finanzierungsinstrumente.

Belgisches Veto zwingt EU zu Garantien

Die Garantiestruktur ist entscheidend, um das Veto des belgischen Premierministers Bart De Wever zu überwinden. Belgien befürchtet, im Extremfall allein für die - sehr wahrscheinlichen - Rückforderungen Russlands aufkommen zu müssen, da die meisten eingefrorenen Vermögenswerte in Brüssel liegen. Daher sollen nun alle EU-Staaten über Garantien das Risiko „gemeinsam“ tragen.

Am Freitag reiste Deutschlands Bundeskanzler Friedrich Merz nach Brüssel, um De Wever zu versichern, dass Berlin 25 Prozent der Haftungen übernehmen werde.

Dramatische Finanznot der Ukraine

Die Dringlichkeit ist groß: Die Ukraine steht im kommenden Jahr vor einem Haushaltsloch von 71,7 Milliarden Euro und müsste ab April drastisch sparen, sollten keine neuen Gelder fließen. Ein ungarisches Veto gegen neue EU-Schulden macht zusätzliche Budgethilfen derzeit unmöglich, weshalb die EU auf die russischen Vermögenswerte ausweichen will. Der gewaltige Korruptions-Skandal, der kürzlich in Kiew aufgeflogen ist, sorgt dabei nicht wirklich für mehr Verständnis bei den meisten Europäern, noch mehr Milliarden an europäischem Steuergeld an die ukrainische Regierung zu überweisen.

Wofür das Geld eingesetzt werden soll

Die Kommission plant, 115 Milliarden Euro für den Ausbau der ukrainischen Verteidigungsindustrie bereitzustellen, weitere 50 Milliarden Euro sollen die laufenden Staatshaushalte Kiews absichern. 45 Milliarden Euro dienen der Rückzahlung eines G7-Kredits aus dem Vorjahr. Die Auszahlungen sind in sechs Tranchen pro Jahr vorgesehen. Auch diese Pläne - etwa die Milliarden-Investition in die ukrainische Rüstungsindustrie - sind für das zu einer Mithaftung verpflichtete neutrale Österreich politisch höchst problematisch.

Bundesregierung wird Österreichs Haftungen erklären müssen

Für Österreich stellt der geplante Haftungsrahmen von 5,5 Milliarden Euro eine erhebliche finanzielle Zusage dar, die politische Debatten über Verantwortung, Risiko und Solidarität weiter anheizen dürfte. In Zeiten steigender Zinskosten und wachsender budgetärer Belastungen wird Wien erklären müssen, wie diese Verpflichtungen in den kommenden Jahren abgesichert werden sollen. Und Kanzler und Außenministerin müssen eine finanzielle Beteiligung Österreichs am Ausbau der Rüstungsindustrie eines kriegsführenden Landes eigentlich klar ablehnen.

Statement.at hat zu der Haftungsfrage die Mediensprecherin des Bundesministers für Finanzen um eine Stellungnahme gebeten. Die knappe Antwort: "Derzeit liegt ein Vorschlag der Europäischen Kommission vor. Grundsätzlich wird dieses Thema in Österreich in der Bundesregierung besprochen sowie in der EU in den jeweils zuständigen Gremien (Räte, Gipfel) besprochen und schließlich dort entschieden. Diesen Gesprächen und Entscheidungen greift das BMF nicht vor."

Update um 13.30 Uhr