EU will mit russischen Milliarden auch alten G7-Kredit tilgen: Haftet Österreich dann für ein Schneeball-System?
Zur Unterstützung der Ukraine sowie zur Bedienung bestehender Schulden sollen - statement.at hat berichtet - eingefrorene russische Vermögenswerte in bisher unerreichter Größenordnung "aktiviert" werden. Ein interner Entwurf der EU-Kommission, der dem Magazin Politico zugespielt worden ist, zeigt jedoch, dass ein großer Teil der geplanten Mittel nicht als unmittelbare Hilfe nach Kiew fließen wird, sondern für die Rückzahlung eines früheren Kredits der G7-Staaten verwendet werden soll.
Insgesamt sieht der Plan der EU-Kommission Reparationskredite in Höhe von 165 Milliarden Euro vor. 115 Milliarden Euro wären für den weiteren Aufbau der ukrainischen Rüstungsindustrie bestimmt (alleine dieser Punkt müsste die Teilnahme des neutralen Österreichs an diesem Geldbeschaffungsprojekt für Kiew verhindern). 50 Milliarden Euro sollen zur Deckung des ukrainischen Staatshaushalts überwiesen werden.
Besonders brisant ist jedoch der dritte Baustein, wie auch die Berliner Zeitung aktuell berichtet: 45 Milliarden Euro sollen laut EU-Spitze dazu verwendet werden, einen im Vorjahr vergebenen G7-Kredit zu tilgen. Kritiker sprechen von einer „Kaskadenfinanzierung“, die dem Prinzip eines finanziellen Roll-over ähnelt - ein Vorgehen, das im Unternehmenssektor oft als Hinweis auf riskante Finanzierungskonstruktionen gilt.
Weniger elegant formuliert: Finanzbetrüger stehen für derartige "Schneeball-Systeme" immer wieder vor Gericht: Sie ertricksen sich Kredite, um ältere Darlehen kurz vor der Tilgungsfrist zurückzahlen zu können, etc. etc. - bis eben keine Bank und kein privater Darlehensgeber mehr mitspielt und der Zusammenbruch des Systems unausweichlich ist.
Haftungsrisiken für EU-Staaten: Österreich mit 5,5 Milliarden dabei
Um diese Kredite überhaupt gewähren zu können, sollen die EU-Mitgliedstaaten milliardenschwere Garantien übernehmen. Laut der Politico-Vorlage müsste Deutschland dabei eine mögliche Haftungssumme von mehr als 52 Milliarden Euro schultern – und wäre damit der mit Abstand größte Garant der Union. Österreich wiederum soll laut dem Dokument Garantien in Höhe von 5,5 Milliarden Euro übernehmen und gehört damit ebenfalls zu den stark belasteten Staaten - Ungarn hingegen soll nur für 1,4 Milliarden Euro die Haftung übernehmen, Kroatien nur 1,1 Milliarden.
Dass die Summen für die einzelnen Nationen, die zur Teilnahme an diesem Milliarden-Projekt verpflichtet werden, noch steigen könnten, verschärft die Lage zusätzlich: Sollte etwa Ungarn die Zustimmung verweigern, würden die Haftungsanteile der übrigen Staaten automatisch wachsen. Auch die Option, Drittstaaten wie Norwegen in das Garantiegefüge einzubeziehen, hat sich inzwischen zerschlagen.
185 Milliarden Euro lagern bei Euroclear in Belgien
Der politische Druck hat insbesondere in Belgien zugenommen: Etwa 185 Milliarden Euro eingefrorener russischer Staatsgelder werden dort von der Verwahrstelle Euroclear gehalten. Belgien fürchtet, im Fall einer späteren Rückzahlungspflicht allein haften zu müssen. Bundeskanzler Friedrich Merz versuchte bei einem Treffen mit Premierminister Bart De Wever beruhigend einzuwirken und betonte, Deutschland werde „25 Prozent des Backstops“ tragen und damit die größte Einzelgarantie übernehmen. De Wevers Bedenken seien „zweifellos berechtigt“, so Merz.
Frankreich blockiert Offenlegung, Fragen zur Transparenz bleiben
Frankreich steht unterdessen selbst unter Druck: Medienberichten zufolge befinden sich etwa 18 Milliarden Euro russischer Vermögenswerte bei französischen Privatbanken. Paris verweigert jedoch die Offenlegung der betroffenen Institute und verweist auf die Vertraulichkeit gegenüber Bankkunden.
Auch sonst wirft der Plan Fragen auf: Wie wird Russland reagieren? Sicher nicht mit Verständnis, sondern wohl mit Gegenmaßnahmen - auch da könnte Österreich besonders betroffen sein, da der Raiffeisen-Konzern schon seit Jahrzehnten beste Geschäftsbeziehungen mit Russland hatte. Auch andere österreichische und deutsche Unternehmen könnten massiv von Gegenmaßnahmen Moskaus betroffen sein, wenn ihre Vermögenswerte in Russland eingezogen werden.
Dürfen eingefrorene Vermögenswerte überhaupt genutzt werden?
Während EU- und G7-Staaten über die rechtliche und finanzielle Konstruktion noch beraten, warnen Experten vor den Risiken – politisch, wirtschaftlich und völkerrechtlich. Parallel verhandeln die USA und Russland über mögliche Regelungen zur Nutzung eingefrorener Vermögenswerte, was den europäischen Handlungsspielraum zusätzlich verengt.
Die EU-Kommission drängt auf eine rasche Umsetzung der Übernahme der russischen Milliarden, wie auch das Finanzministerium in Wien gegenüber statement.at bestätigt hat: Der Plan liege bereits vor, Österreichs Bundesregierung müsse in Kürze darüber entscheiden.
