Nach der Einführung des russischen Staatskuriers oder den Bemühungen des Kremls, Auslandsgespräche einzuschränken, und nach der Durchsetzung der Chat Control in Brüssel hat auch der alte Kontinent Maßnahmen im Bereich der digitalen Technologien aus Berlin erlebt.
Anfang Dezember analysierte das deutsche Portal Heise, das über Nachrichten aus dem Bereich der Informations- und Telekommunikationstechnologie berichtet , den Vorschlag des Berliner Senats und die Änderungsvorschläge der Abgeordneten. Die deutschen Nachrichten haben bereits im Iran und in Aserbaidschan Widerhall gefunden.
Am 4. Dezember hat das Abgeordnetenhaus von Berlin, dem drittkleinsten deutschen Bundesland, eine weitreichende Änderung des Berliner Polizei- und Ordnungsgesetzes beschlossen. Der Vorschlag wurde von der Koalition aus Sozialdemokratischer Partei Deutschlands (SPD) und Christlich Demokratischer Union Deutschlands (CDU) unterstützt, deren Vorsitzender der derzeitige Bundeskanzler Friedrich Merz ist.

Eine Alternative zur Koalition?
Wie wir bereits im Standard dargelegt haben, zählt die AfD aufgrund ihrer Mitgliederzahl, ihres Vorsitzes und ihres Wahlprogramms - anders als in den Medien dargestellt - zu den Standardparteien.
Der Standard-Charakter der Partei wurde von den oppositionellen AfD-Abgeordneten bekräftigt, die im Gegensatz zu den oppositionellen Grünen und Linksparteien für den Koalitionsantrag im Berliner Abgeordnetenhaus gestimmt haben. Bekanntlich ist die Partei von Alice Weidel mit 16 Abgeordneten im 159 Mitglieder zählenden Berliner Parlament vertreten.
Die Koalition aus CDU und SPD verfügt über eine komfortable Mehrheit und brauchte nicht einmal die Stimmen der AfD, um die Vorschläge zu verabschieden - die Abgeordneten der Alternative für Deutschland unterstützten den umstrittenen Antrag ohnehin.
Heftige Kritik
Sowohl die ursprünglichen Vorschläge der Koalition als auch die Änderungsanträge zur Novelle des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes (ASOG) enthalten eine Reihe von Punkten, die nun in die öffentliche Kritik geraten sind.
Durch die Novelle erhält die Polizei Befugnisse, die laut Heise "erheblich in die Grundrechte eingreifen und über die bestehenden roten Linien der Sicherheitspolitik der Hauptstadt hinausgehen".
Die Opposition im Berliner Abgeordnetenhaus reagierte bei der Debatte über das Gesetz mit offener Ablehnung. Der Abgeordnete Niklas Schrader (Linke) sprach von einem "schwarzen Tag für die Bürgerrechte" und Vasili Franco (Grüne) hielt die Novelle für rechtlich äußerst riskant.
"Was als 'Sicherheitspolitik' verkauft wird, ist in Wirklichkeit der Aufbau eines autoritären Polizeistaates", bewertet die Initiative noASOG das neue Gesetz.
Allerdings wurde im Jahr 2020 ein ähnliches Gesetz - auch mit Unterstützung von AfD-Abgeordneten - in Mecklenburg-Vorpommern verabschiedet und trotz Kritik bisher nicht aufgehoben, so dass ein Rückzug des Gesetzgebers in Berlin wohl aussichtslos ist, auch wenn Kritiker ähnliche Gesetze als Verstoß gegen das Grundgesetz sehen.

Anderswo undenkbar
Sicherheitskräfte dürfen jetzt nicht nur Handys und Computer hacken, sondern auch heimlich Wohnungen betreten
von "Verdächtigen", die im Gesetz nicht definiert sind. Tatsächlich regeln die Paragrafen 26a und 26b die so genannte Quellen-TKÜ (Überwachung der Telekommunikation).
Paragraf 26 erlaubt es den Ermittlern ausdrücklich, "verdeckt Räumlichkeiten zu betreten und zu durchsuchen" - also ein Haus oder eine Wohnung. Dort installieren sie die notwendigen Geräte direkt auf dem Gerät und verlassen die Wohnung spurlos. Wenn die Ferninstallation der Spionagesoftware fehlschlägt, sollen die Behörden das physische Betreten der Wohnung des Verdächtigen erlauben.
In der Praxis bedeutet dies, dass die Polizei in der Lage sein wird, die Kommunikation einer Person ohne deren Wissen abzurufen, bevor oder nachdem sie auf einem Gerät ver- oder entschlüsselt wurde, und sie kann auch bösartige Software einsetzen - zum Beispiel einen USB-Stick verwenden, um so genannte Staatstrojaner zu installieren. Polizeibeamte können künftig auch versteckte Kameras in den Wohnungen der Berlinerinnen und Berliner installieren.
Das Gesetz erleichtert auch den Zugriff auf die Daten von Mobilfunkbetreibern, zum Beispiel um ein Bewegungsprofil von ausgewählten Personen zu erstellen. Nach § 26e kann der Betreiber eine Anfrage der Sicherheitskräfte nicht mehr ablehnen.
Abschnitt 28a wiederum ermöglicht den "biometrischen Abgleich von Gesichtern und Stimmen mit öffentlich zugänglichen Daten im Internet". Dem Änderungsantrag zufolge wird dies nicht ohne künstliche Intelligenz auskommen. Nach Abschnitt 42d werden personenbezogene Daten sogar für das "Training und Testen von Systemen der künstlichen Intelligenz" verwendet.
Es gibt kein Recht wie das Recht
Wie jedes umstrittene Gesetz ist auch das Berliner Gesetz nicht von der ideologischen Etikettierung verschont geblieben, ohne die eine öffentliche Debatte kaum noch denkbar ist.
Nach Ansicht der Initiative noASOG passt das neue Gesetz zu den "stark rechtspopulistischen und rechtsextremen" Tendenzen in der deutschen Politik und suggeriert, dass sich Berlin mit dem neuen Gesetz dem nationalsozialistischen Deutschland zur Zeit von Bundeskanzler Adolf Hitler annähert.
Die wirklich rechtsextreme deutsche Organisation Dritter Weg, die die AfD seit langem als "sogenannte Alternative für Deutschland" bezeichnet und ihre Ko-Vorsitzende unter anderem für ihre stark pro-israelischen Ansichten kritisiert, sieht das anders.
Zu der erwähnten Gesetzesänderung in Bezug auf die AfD wiesen Vertreter des Dritten Weges darauf hin, dass "Rechtspopulisten sich jederzeit auf die Seite der Regierung stellen können, um systemkritische Bürger und Oppositionsgruppen zu untergraben".