WIEN. Sechs Jahre nach der Veröffentlichung des Ibiza-Videos, das 2019 hauptverantwortlich für den Sturz der türkis-blauen Bundesregierung war, hat die Staatsanwaltschaft Wien Anklage gegen die lettische Tatverdächtige erhoben, die in dem Skandalvideo als vermeintliche „Oligarchennichte“ Alyona Makarova auftrat. Die Frau wird des Missbrauchs von Tonaufnahme- und Abhörgeräten sowie der Datenverarbeitung in Gewinn- oder Schädigungsabsicht beschuldigt. Ein Verhandlungstermin steht noch nicht fest.
Die Anklage bezieht sich nicht auf die heimlichen Aufnahmen auf Ibiza selbst, die 2017 mit verdeckten Kameras entstanden und zum Rücktritt des damaligen Vizekanzlers Heinz-Christian Strache (FPÖ) sowie des FPÖ-Klubchefs Johann Gudenus führten. Stattdessen geht es um andere verbotene Handlungen in Österreich: Die Lettin soll im Vorfeld des Ibiza-Treffens mehrmals mit Gudenus in Wien zusammengetroffen sein, unter dem Vorwand, Interesse an einem Grundstück der Familie Gudenus in Niederösterreich zu haben. Bei diesen Treffen sollen ebenfalls heimliche Aufnahmen gemacht worden sein. Die Staatsanwaltschaft Wien bestätigte gegenüber dem Standard, dass der Strafantrag beim Bezirksgericht Innere Stadt eingebracht wurde.
„Der Strafantrag wurde bereits im Sommer eingebracht“, erklärte Behördensprecherin Nina Bussek. Das Gericht ist zuständig, da die angeklagten Delikte eine Maximalstrafe von einem Jahr Freiheitsentzug oder eine Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen vorsehen.
Bislang konnte der Strafantrag der Beschuldigten in Lettland nicht zugestellt werden, wie Gerichtssprecher Markus Riedl mitteilte. „Es wird nach wie vor versucht, den Strafantrag zuzustellen“, sagte er. Ob die Frau sich letztlich vor einem Wiener Gericht verantworten wird, bleibt offen.
Neue Ermittlungen seit 2023
Das Ermittlungsverfahren gegen die Lettin war 2023 wieder aufgenommen worden, nachdem ihre Identität bekannt geworden war. Sie konnte den Angaben zufolge auch in Lettland einvernommen werden. Ursprünglich hatte die Staatsanwaltschaft auch wegen Beihilfe zur Urkundenfälschung ermittelt; dieser Vorwurf wurde offenbar eingestellt.
Zuvor hatten österreichische Behörden jahrelang gegen Unbekannt ermittelt. Im Jahr 2020 veröffentlichte das Bundeskriminalamt auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Fotos der jungen Frau unter dem Aliasnamen „Alyona Makarov“ zur Fahndung. Diese Maßnahme wurde später vom Oberlandesgericht Wien als „unverhältnismäßig“ eingestuft und widerrufen.
Im Zusammenhang mit der Affäre war auch Rechtsanwalt Ramin M., der neben dem Detektiv Julian H. als mutmaßlicher Drahtzieher gilt, angeklagt worden. Sein Verfahren endete im Juli 2022 diversionell: Er übernahm die Verantwortung, zahlte 15.000 Euro Geldbuße und leistete eine symbolische Entschädigung von 500 Euro an Strache.
Die Ibiza-Affäre hatte bekanntlich weitreichende politische Folgen: Sie führte zum Bruch der Koalition aus ÖVP und FPÖ und damit zu Neuwahlen. Wer der tatsächliche Auftraggeber und Finanzier für die Video-Crew, ihre Helfer und Helfershelfer war, konnte bis heute nicht geklärt werden.