Mit dem jüngst präsentierten ersten Entbürokratisierungspaket der Regierung ist eine Debatte neu entfacht worden, die Österreich seit Jahren begleitet: Wie viel Staat braucht das Land – und wie lässt sich Verwaltung effizienter gestalten, ohne bewährte Strukturen zu zerschlagen?
Während Experten das vorgelegte Maßnahmenbündel als zu zaghaft kritisieren, verteidigt Sepp Schellhorn, Staatssekretär der NEOS im Außenamt, in einem aktuellen Interview mit dem Standard den eingeschlagenen Weg. Mehr sei zum jetzigen Zeitpunkt kaum möglich gewesen, sagt er, zumal tiefgreifende Reformen politische Vorbereitung und gesellschaftliche Akzeptanz benötigten.
Schellhorn hat innerhalb der Regierung eine besondere Rolle: Obwohl er formal im Außenamt angesiedelt ist, sieht er seine Hauptaufgabe in der Modernisierung der Republik. Dieses Vorhaben bringt ihm nicht nur Zustimmung, sondern auch erheblichen medialen Gegenwind ein - vor allem deshalb, weil er als Deregulierer mehr Personal für sein Büro einstellte und auf teuren Dienstreisen war. Der Staatssekretär spricht nun von einer aufgeheizten Debattenkultur und von Widerständen, die Reformprozesse in Österreich regelmäßig begleiten.
"Zu viele Parallelstrukturen"
Deutlich kritisiert Schellhorn nu die föderale Struktur des Landes: Er stellt die Frage, ob Österreich mit neun Bundesländern tatsächlich effizient organisiert sei. „Drei Bundesländer würden reichen“, meint er und verweist auf mögliche Einsparungen und eine bessere Koordination staatlicher Leistungen. Speziell im Gesundheitsbereich könne eine stärkere Bündelung Vorteile bringen. Die Bundesländer wüssten zwar selbst am besten, wie viele Bürger pflegebedürftig seien oder welche gesundheitlichen Bedürfnisse vor Ort bestünden. Gleichzeitig müsse man jedoch ehrlich diskutieren, ob es nicht zu viele Krankenhäuser und Parallelstrukturen gebe, die hohe Kosten verursachten.
Auf die Frage, ob er die Abschaffung der Bundesländer fordere, reagiert Schellhorn jedoch mit einem Teil-Rückzieher: Als "Privatperson" könne er sich ein Modell mit drei statt neun Bundesländern vorstellen. Er betont, dass dies kein Regierungsprojekt sei, sondern ein Denkanstoß. Institutionen wie die Wirtschaftskammer könnten seiner Ansicht nach beispielhaft vorführen, wie regionale Strukturen auch in größerem Zuschnitt funktionieren könnten.
Schellhorn kritisiert Österreichs Medien: "Clickbaiting"
Neben strukturellen Fragen übt Schellhorn scharfe Kritik an der Medienlandschaft: Österreich leide derzeit unter einer verfehlten Medienpolitik, sagt er. Klare Kriterien und sachliche Einordnung kämen oft zu kurz. Er räumt ein, selbst Fehler gemacht zu haben, sieht sich jedoch unverhältnismäßig lange und hart angegriffen. „Es geht um Clickbaits – ohne klare Kriterien. Es werden die Extreme bedient. Ich habe Fehler gemacht, aber nicht so, dass man mich da wie die Sau sieben Monate lang durchs Dorf treibt.“, sagt er und verweist darauf, dass Skandalisierung für manche Medien auch ein Geschäftsmodell sei.
Trotz aller Kritik plädiert Schellhorn für einen offenen Diskurs über seine Reformen und die Regierungsarbeit. Es sei legitim zu fragen, ob die Regierung zu wenig tue oder falsche Prioritäten setze. Er selbst ist jedoch überzeugt, dass der eingeschlagene Weg richtig sei. Zunächst habe man nun die öffentlichen Finanzen saniert und Stabilität geschaffen. Erst darauf könnten tiefgreifende Reformen aufbauen. Allerdings: Von einer Sanierung des Budgets kann aktuell noch keine Rede sein: Das Defizit ist in den neun Monaten noch dramatisch angewachsen, Österreich wird die Vorgaben eines EU-Defizitverfahrens beachten müssen - und es droht Haftungsverpflichtung in der Höhe von 5,5 Milliarden Euro für die weitere Finanzierung der Ukraine-Hilfe der EU.