BERLIN. Wenn der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) über die Lage der deutschen Wirtschaft spricht, verweist er regelmäßig auf einen zentralen Schwachpunkt: die preisliche Wettbewerbsfähigkeit. Diese habe sich in den vergangenen Jahren deutlich verschlechtert. Tatsächlich steigt der Kostendruck auf Unternehmen weiter – mit unmittelbaren Folgen für Industrie, Verbraucher und Exportwirtschaft. Auswirkungen davon, bekommt auch Österreich zu spüren.
Anfang 2026 wird die nationale CO₂-Bepreisung ausgeweitet. Der bisher fixierte Preis von 55 Euro je Tonne steigt in einen Korridor von 55 bis 65 Euro. Künftig werden Zertifikate für die Bereiche Gebäude und Verkehr versteigert. Heizen und Mobilität verteuern sich, ebenso der Betrieb von Fuhrparks, Werkshallen und Bürogebäuden.
Für private Haushalte bedeutet das höhere Kosten beim Tanken und bei der Gasheizung. Für Unternehmen steigt die laufende Belastung – unabhängig davon, ob sie energieintensiv produzieren oder nicht.
Weniger kostenlose Zertifikate für die Industrie
Parallel verschärft die EU den Emissionshandel für Industrie, Energieerzeugung sowie den Luft- und Seeverkehr. Die Menge der verfügbaren Zertifikate wird reduziert, kostenlose Zuteilungen werden schrittweise abgeschafft. Bereits ab 2026 müssen energieintensive Unternehmen einen wachsenden Anteil ihrer Emissionen vollständig am Markt abdecken. Bis 2034 entfällt die kostenlose Zuteilung vollständig.
Die EU verfolgt damit das Ziel, die Dekarbonisierung zu beschleunigen. Die Kehrseite ist ein weiter steigender Zertifikatspreis, der die Produktionskosten von Stahl, Zement, Aluminium, Chemieprodukten und Düngemitteln erhöht.
Grenzausgleich verteuert Importe
Hinzu kommt der europäische Grenzausgleichsmechanismus CBAM. Ab 2026 müssen Importeure für einen Teil der im Ausland entstandenen CO₂-Emissionen Zertifikate erwerben. Der Anteil steigt schrittweise, bis 2034 sämtliche Emissionen erfasst werden.
Nach Berechnungen der Commerzbank verteuern sich importierte Düngemittel und Zement zunächst moderat, mittelfristig jedoch deutlich. Die höheren Kosten schlagen auch auf heimische Produkte durch, da viele Industrien auf importierte Vorleistungen angewiesen sind.
Folgen für Bau, Lebensmittel und Exporte
Steigende Preise für Zement und Stahl verteuern den Wohnbau und belasten den ohnehin schwachen Neubau. Höhere Düngemittelpreise wirken sich auf die Lebensmittelpreise aus. Lohnforderungen als Reaktion auf steigende Lebenshaltungskosten würden den Kostendruck zusätzlich verschärfen.
Besonders problematisch ist die Exportseite: Die zusätzlichen CO₂-Kosten werden bei Ausfuhren nicht ausgeglichen. Damit verlieren deutsche Produkte auf den Weltmärkten an Wettbewerbsfähigkeit. Industrieverbände warnen vor Produktionsverlagerungen und Handelskonflikten, insbesondere mit den USA.
Bürokratie und Einnahmenlogik
Zusätzlich sorgen umfangreiche Berichtspflichten für Unsicherheit. Die exakte Erfassung der CO₂-Emissionen importierter Produkte ist aufwendig und fehleranfällig. Bei unvollständigen Angaben drohen empfindliche Strafen.
Ein grundlegendes Umsteuern gilt dennoch als unwahrscheinlich. Der Emissionshandel bringt hohe Einnahmen, die in Deutschland in den Klima- und Transformationsfonds fließen. Mit diesen Mitteln sollen unter anderem jene Energiepreise gedämpft werden, die durch die Klimapolitik zuvor gestiegen sind. Für viele Unternehmen wirkt dieses System zunehmend widersprüchlich – und für den Standort immer kostspieliger.