BERLIN/WIEN/KIEW. Erneut treffen sich aktuell die Spitzenverhandler der Vereinigten Staaten mit dem deutschen Kanzler Friedrich Merz und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenksyj in Berlin. Die Hoffnung, dass nun ein Waffenstillstandsangebot ausformuliert wird, das auch von der russischen Regierung akzeptiert werden kann, ist nicht wirklich groß: Noch immer beharrt Wolodymyr Selenskyj darauf, dass bei einem Waffenstillstand keine ukrainischen Gebiete an den Aggressor abgetreten werden dürfen - was Moskau angesichts des Frontverlaufs und der Eroberung von 19 Prozent des ukrainischen Staatsgebiets klar ablehnt.
Diese erwähnten 19 Prozent sind 115.000 Quadratkilometer oder so viel wie die Staatsgebiete Österreichs und der Schweiz zusammen. Es ist somit mit ziemlicher Sicherheit auszuschließen, dass die russische Staatsspitze diese Landfläche - mit all den Bodenschätzen im Wert hunderter Milliarden Euro - einfach zurückgeben wird.
Es muss also eine andere Lösung geben
Dass ein Verzicht auf die eroberten Gebiete total abwegig sei, wie viele Unterstützer der Ukraine auf Social-Media-Plattformen ständig betonen, ist falsch. Es gibt dazu ein ausgezeichnetes Beispiel, wie ein Staat zur Verhinderung seiner totalen Vernichtung und weiterer blutiger Schlachten einen Frieden akzeptierte, der dem Aggressor Reparationen, Gebiete und auch die Durchsetzung seines politischen Interesses brachte.
Das Beispiel Königgrätz vor 159 Jahren
Österreich hat im Sommer 1866 den Deutschen Krieg gegen Preußen verloren, bekanntlich auch mit der Schlacht von Königgrätz am 3. Juli 1866. Die Habsburger-Monarchie kann man in diesem Konflikt sicher nicht als Aggressor bezeichnen, vielmehr hatte Preußen das von Österreich besetzte Holstein annektiert und konkrete Vorstellungen für eine Neuordnung Deutschlands. Reichskanzler Fürst Otto von Bismarck und der deutsche König Wilhelm I. suchten schon seit 1864 einen Casus Belli für einen Feldzug gegen Österreich, das eine Einigung der deutschen Kleinstaaten unter der Führung Preußens so nicht zulassen wollte.
Das bei Königgrätz unterlegene Österreich musste nach dem Frieden von Prag auf Holstein verzichten. Und trotz der erfolgreichen Schlacht von Custozza (24. Juni) und der Seeschlacht von Lissa (20. Juli) gegen die auf Seiten der Preußen plötzlich in den Krieg eingetretenen Italiener sah sich Kaiser Franz Joseph nach der verheerenden Niederlage bei Königgrätz zur Kapitulation und zur Abtretung Venetiens an Italien im Frieden von Wien gezwungen.

Gebietsgewinne für den Aggressor im Jahr 1866
Preußen annektierte dann komplett Schleswig-Holstein, Hannover, Kurhessen, Nassau und die freie Stadt Frankfurt. Zusätzlich hatte das angegriffene Österreich an Preußen 30 Millionen Taler an Reparationsleistungen zu bezahlen - das wären heute etwa drei bis sechs Milliarden Euro an Kaufwert.
Es war in der europäischen Geschichte also durchaus möglich, dass ein Kriegsverlierer, der nicht der Aggressor war, zur Sicherung des Fortbestands seines Staates und um weiteres Blutvergießen zu vermeiden, schlechte Friedensbedingungen annimmt. Das war vor 159 Jahren. Aber es ist ein gutes Beispiel dafür, was auch in unserer Gegenwart für einen Kriegsteilnehmer am Rande der totalen Niederlage am klügsten wäre.
PARMENION