Islamistischer Terror in Europa forderte bereits 360 Todesopfer seit dem Jahr 2015

Der aktuelle Terroranschlag in Sydney ruft die Terrorgefahr in Europa in Erinnerung. Innerhalb von zehn Jahren erschütterten 21 islamistische Terroranschläge den Kontinent, 360 Menschen verloren dabei ihr Leben. Die Gefahr bleibt groß.

Das Blut der Opfer, die im Konzertsaal Bataclan und im Restaurant „La Belle Equipe” ums Leben kamen, ist am Fenster zu sehen. Foto: Elyxandro Cegarra/Anadolu Agency/Getty Images

Das Blut der Opfer, die im Konzertsaal Bataclan und im Restaurant „La Belle Equipe” ums Leben kamen, ist am Fenster zu sehen. Foto: Elyxandro Cegarra/Anadolu Agency/Getty Images

Die aktuellen Bilder vom Terroranschlag in Sydney erinnern erneut an die dramatischen Szenen in Magdeburg, Berlin, Wien oder Paris: Islamisten töten Christen und Juden - jeder Terrorangriff hinterlässt noch mehr Angst vor weiteren Anschlägen. Europas Metropolen wurden seit 2015 besonders oft zum Schauplatz des Terrors, in nur zehn Jahren kam es zu 21 erschütternden Anschlägen.

Die Entwicklung des islamistischen Terrors in Europa offenbart dabei einen Wandel der Täterstrategien – von komplex geplanten Angriffen ganzer Zellen hin zu Taten einzelner, radikalisierter Täter, die mit vergleichsweise einfachen Mitteln töten. Statement.at sammelte alle Daten zu sämtlichen Terroranschlägen in Deutschland, Frankreich, Belgien, Großbritannien, Schweden, Spanien, in den Niederlanden und in Österreich.

17 Todesopfer im Januar 2015 in Paris

Den Anfang dieser blutigen Dekade markierte der Januar 2015 in Frankreich. Die Anschläge auf die Satirezeitschrift „Charlie Hebdo" und einen jüdischen Supermarkt in Paris forderten 17 Todesopfer und lösten weltweit Debatten über Meinungsfreiheit, religiösen Extremismus und innere Sicherheit aus.

Dann folgte noch im November desselben Jahres der bisher blutigste Terroranschlag von Islamisten: Koordinierte Attentate auf Restaurants, Bars, das Stade de France und die Konzerthalle Bataclan in Paris kosteten 130 Menschen das Leben. Europa stand unter Schock.

2016 setzte sich die Gewaltspirale fort. Im März töteten Selbstmordattentäter am Flughafen und in der Metro von Brüssel 32 Menschen. Im Juli 2016 riss ein Attentäter in Nizza 86 Menschen in den Tod, als er mit einem Lastwagen in eine Menschenmenge fuhr, die den französischen Nationalfeiertag feierte. Im Dezember wurde der Berliner Weihnachtsmarkt auf dem Breitscheidplatz an der Gedächtniskirche zum Ziel eines Anschlags, bei dem ein gestohlener Lkw eingesetzt wurde. Zwölf Menschen starben, Dutzende wurden verletzt.

Diese Taten prägten dauerhaft das Sicherheitskonzept für öffentliche Veranstaltungen in ganz Europa. In Deutschland werden seither Weihnachtsmärkte mit Betonpollern und Absperrungen gesichert. Bemerkenswert lang dauerte die offizielle Zuordnung der Taten auf den islamistischen Terrorismus.

Ab 2017 änderte sich das Bild. Zwar blieb die ideologische Motivation dieselbe, doch die Anschläge wurden meist von Einzelpersonen verübt. Der Selbstmordanschlag in der Manchester Arena nach einem Popkonzert der Sängerin Ariana Grande forderte 23 Menschenleben. Auch einer der Attentäter wurde dabei getötet. 116 Verletzte mussten in den Krankenhäusern versorgt werden. Der bereits polizeibekannte Salman Abedi aus Libyen hat eine in einem Rucksack versteckte Sprengladung, die mit zahlreichen Metallteilen wie Muttern und Schrauben gespickt war, zur Detonation gebracht.

Weitere Attacken mit Fahrzeugen und Messern in London, Stockholm sowie Barcelona und Cambrils führten zu insgesamt 51 Toten in diesem Jahr. Die Strategie der Täter verlagerte sich hin zu leicht verfügbaren Tatmitteln, was die Prävention zusätzlich erschwerte.

In den Folgejahren blieb die Bedrohung bestehen, wenn auch mit niedrigeren Todeszahlen als zuvor. 2018 wurden beim Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Straßburg fünf Menschen getötet: Am 11. Dezember gegen 20 Uhr erschoss der mit einem alten Trommelrevolver und einem Messer bewaffnete Täter in mehreren Straßen nahe dem Weihnachtsmarkt  auf dem Kléberplatz innerhalb von 10 Minuten fünf Menschen und verletzte zehn weitere teilweise schwer. Alle Todesopfer starben an Kopfschüssen. Während des Angriffs schrie der Mörder "Allahu akbar".

2019 starben vier Menschen bei einem Anschlag in einer Straßenbahn im niederländischen Utrecht: Am 18. März wurden in einem Zug der Stadtbahn Utrecht Schüsse auf Fahrgäste abgegeben. Dabei kamen vier Menschen ums Leben, sechs Personen wurden verletzt, davon zwei schwer. Der Schütze, der türkische Staatsbürger Gökmen Tanis, wurde noch am selben Tag verhaftet und am 20. März 2020 zu lebenslanger Haft verurteilt.

Samuel Paty, ein französischer Lehrer, wurde am Nachmittag des 16. Oktober 2020 in der Nähe der im Pariser Vorort Conflans-Sainte-Honorin gelegenen Mittelschule ermordet. Er wurde auf offener Straße getötet und enthauptet. Der Täter: Abdullah Ansorow, ein islamistisch motivierter 18-jähriger Tschetschene. Polizisten erschossen den bewaffneten Täter bei dem Versuch, ihn festzunehmen. Es war das fünfte islamistische Attentat in Frankreich im Jahr 2020.

Bei einem Messerangriff in der Basilika Notre-Dame de l’Assomption in Nizza sind am 29. Oktober 2020 drei Menschen getötet worden. Der Täter, der 21-jährige Tunesier Brahim Aouissaoui, drang kurz nach 8.30 Uhr in die Kirche ein und attackierte wahllos Besucher mit einem 17 Zentimeter langen Messer. Er rief wiederholt „Allahu akbar“ und wurde von der Polizei niedergeschossen und schwer verletzt festgenommen.

2. November 2020: Der erschütternde Anschlag in Wien

Im Jahr 2020 traf der Terror erstmals seit Jahrzehnten auch Österreich: Am Abend des 2. November 2020 eröffnete ein bewaffneter Islamist in der Wiener Innenstadt das Feuer. Der Täter, ein 20-jähriger österreichischer Staatsbürger mit nordmazedonischen Wurzeln, hatte sich zur Ideologie des „Islamischen Staates" bekannt und war den Behörden bereits vorrher als Extremist bekannt.

Innerhalb weniger Minuten griff er an mehreren Tatorten an und schoss mit einem serbischen Nachbau eines AK-47-Sturmgewehrs in der Seitenstettengasse nahe der Hauptsynagoge sowie am Schwedenplatz um sich. Vier Menschen wurden getötet, mehr als zwanzig verletzt, darunter auch Polizisten. Spezialeinheiten der Polizei erschossen den Täter, als er in die Ruprecht-Kirche flüchten wollte. Der Anschlag löste in Österreich eine intensive Debatte über Extremismusprävention, behördliche Versäumnisse und den Umgang mit radikalisierten IS-Rückkehrern aus.

Auch in den Jahren danach kam es weiterhin zu tödlichen Angriffen: 2023 erschoss ein Islamist in Brüssel zwei Menschen, 2024 starben in Magdeburg sechs Besucher eines Weihnachtsmarkts, als ein Mann mit am 20. Dezember einem Auto in die Menge fuhr - es gab 323 Verletzte, darunter zahlreiche Schwerverletzte. Der Täter, Taleb al-Abdulmohsen, wurde 1974 in Saudi-Arabien geboren, Tatzeit und das Auto als Tatwaffe erinnerten an die Vorgangsweise von IS-Terroristen.

Im laufenden Jahr 2025 wurden bislang fünf Todesopfer gezählt, unter anderem bei Messerangriffen in Frankreich sowie beim Messerterror in Villach am 15. Februar dieses Jahres. Bei dem Terroranschlag in Kärnten tötete der 23-jährige syrische Migrant Ahmad G. einen 14-jährigen Schüler.

Auch in München kam es zu einem Anschlag mit Hilfe eines Fahrzeugs: Ein islamistisch motivierter Täter war mit einem Auto in eine Menschenmenge gefahren und hatte mehrere Personen schwer verletzt; zwei der Opfer starben später an ihren Verletzungen. Die Polizei nahm den 24-jähriger Afghanen fest.

Am Morgen des jüdischen Feiertags Jom Kippur (2. Oktober 2025) ereignete sich der Anschlag auf die Synagoge der jüdische Gemeinde Heaton Park in Higher Crumpsall, einem Vorort von Manchester. Der Attentäter Jihad Al-Shamie steuerte seinen Wagen um 10.30 Uhr in eine Menschenmenge vor der Synagoge. Die jüdischen Gläubigen Adrian Daulby und Melvin Cravitz wurden dabei schwer verletzt und verstarben. Wie sich später herausstellte, starb einer der beiden möglicherweise durch einen Schuss der Polizei. Anschließend stach der Attentäter auf einen Wachmann ein, der Brite mit syrischen Wurzeln wurde von der Polizei erschossen.

Die Gefahr durch unkontrolliert nach Mitteleuropa eingewanderte Islamisten bleibt groß, wie auch die Verhaftung der fünf mutmaßlichen Terrorgefährder in Bayern zeigt. Sicherheitsbehörden in ganz Europa warnen vor der anhaltenden Bedrohung durch radikalisierte Einzeltäter. Größere Abschiebungs-Offensiven für bereits bekannte Terrorgefährder sowie eine tatsächliche Verbesserung des Grenzschutzes werden von der Politik jedoch nicht angestrebt.

Alle Daten zu den Terroranschlägen in Europa seit 2015:

Im Jahr 2015:
• Januar 2015 (Paris, Charlie Hebdo und Hypercacher): 17 Opfer
• November 2015 (Anschläge in Paris inklusive Bataclan): 130 Opfer
Gesamtzahl 2015: 147 Tote

Im Jahr 2016:
• März 2016 (Bombenanschläge auf Flughafen und Metro in Brüssel): 32 Opfer
• Juli 2016 (Lkw-Anschlag am Nationalfeiertag in Nizza): 86 Opfer
• Dezember 2016 (Anschlag auf den Weihnachtsmarkt in Berlin): 12 Opfer
Gesamtzahl 2016: 130 Tote

Ab 2017 wurden die Anschläge unkoordinierter, setzten sich jedoch in Form von Taten einzelner Täter fort:

Im Jahr 2017:
• Bombenanschlag in der Manchester Arena: 22 Opfer
• Anschlag auf der London Bridge und im Borough Market: 8 Opfer
• Lkw-Anschlag in Stockholm: 5 Opfer
• Fahrzeug- und Messerangriffe in Barcelona und Cambrils: 16 Opfer
Gesamtzahl 2017: 51 Tote

Im Jahr 2018:
• Schusswaffenangriff auf den Weihnachtsmarkt in Straßburg: 5 Opfer

Im Jahr 2019:
• Schusswaffenangriff in einer Straßenbahn in Utrecht: 4 Opfer

Im Jahr 2020:
• Oktober 2020: Enthauptung des Lehrers Samuel Paty bei Paris
• Messerangriff in der Basilika von Nizza: 3 Todesopfer
• Dschihadistischer Anschlag mit Schusswaffen in Wien: 4 Opfer
Gesamtzahl 2020: 7 Tote

In den Jahren 2021 und 2022 gab es in Europa keine größeren islamistischen Terroranschläge mit Todesopfern.

Im Jahr 2023:
• Schusswaffenangriff in Brüssel auf schwedische Staatsangehörige: 2 Opfer

Im Jahr 2024:
• Anschlag mit Fahrzeug auf den Weihnachtsmarkt in Magdeburg: 6 Opfer

Im Jahr 2025 (bislang):
• Messerangriff in Mulhouse: ein Opfer
• Messerangriff in Villach: ein Opfer
• Anschlag mit Fahrzeug in München (Opfer starben später an ihren Verletzungen): 2 Opfer
• Anschlag auf eine Synagoge in Manchester: zwei Todesopfer
Gesamtzahl 2025: 6 Tote

Addiert man all diese Zahlen, ergibt sich für die vergangenen zehn Jahre eine Gesamtzahl von 360 Menschen, die in Europa bei islamistischen Terroranschlägen getötet wurden.

Weltweit sind von 1979 bis April des Vorjahres 66.872 derartige Anschläge umfassend erfasst, bei denen 249.941 Menschen getötet wurden und mehr als eine Million Personen verletzt oder entführt wurden, das berichtet der Thinktank Fondation pour l’innovation politique Fondapol.

86,3 Prozent der Taten und 88,9 Prozent der Todesopfer entfielen dabei auf Länder mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit, was verdeutlicht, dass die Hauptopfer jihadistischer Gruppen überwiegend andere Muslime sind, die von den Tätern als nicht ausreichend orthodox betrachtet werden.

Polizei Wien Terror 2. November 2020, Getty Images
Der Polizeieinsatz in Wien beim Terroranschlag am 2. November 2020, Credit: Getty Images