WIEN. Die gescheiterte Rückführung von vier somalischen Staatsangehörigen von Wien über Nairobi nach Mogadischu ist mehr als ein administrativer Fehlschlag. Sie verweist auf ein strukturelles Problem der österreichischen und europäischen Asylpolitik: Abschiebungen sind teuer, organisatorisch anfällig und politisch oft wirkungslos.
Nach übereinstimmenden Berichten verbrachten die Betroffenen gemeinsam mit österreichischen Beamten mehr als 30 Stunden in der Transitzone des Flughafens Nairobi, ehe der Versuch abgebrochen werden musste. Die somalischen Behörden verweigerten die notwendigen Einreisedokumente. Drei der Männer wurden daraufhin nach Wien zurückgebracht und erneut in Abschiebehaft genommen, in der sie teilweise bereits seit Monaten untergebracht waren.
Konkrete Angaben zu den Kosten dieses Einsatzes fehlen bis heute. Sämtliche Anfragen von Statement an das Innenministerium blieben unbeantwortet. Offen ist unter anderem, welche Gesamtkosten durch Charterflug, Begleitpersonal, medizinische Betreuung, Aufenthalt in Kenia, Rücktransport und erneute Inhaftierung entstanden sind. Ebenso unbeantwortet blieb die Frage, welchen Kostenanteil Österreich im Rahmen der Kooperation mit Deutschland getragen hat und ob externe Dienstleister oder Berater in Planung oder Durchführung eingebunden waren.
Hohe Kosten, geringe Wirkung
Dabei ist unstrittig, dass Abschiebungen dieser Art erhebliche Mittel binden. Charterflüge mit Polizeibegleitung verursachen rasch Kosten im sechsstelligen Bereich. Dort, wo Regierungen gezwungen waren, Zahlen offenzulegen, zeigt sich die Größenordnung deutlich: In Irland lagen die Kosten bei rund 7.500 Euro pro abgeschobener Person bei Charterabschiebungen. Im Vereinigten Königreich erreichten die kalkulierten Kosten des politisch geplanten Ruanda-Modells sogar Dimensionen von mehreren hunderttausend bis mehr als einer Million Euro pro Person.
Diese Zahlen sind keine Ausreißer nach oben, sondern die seltenen Fälle, in denen Kosten transparent gemacht wurden. In den meisten europäischen Staaten existieren keine belastbaren Pro-Kopf-Zahlen. Abschiebekosten werden fragmentiert verbucht: Flugkosten getrennt von Polizeieinsätzen, Haftkosten getrennt von Verwaltung, freiwillige Ausreisen gemeinsam mit Zwangsmaßnahmen. Ein seriöser Vergleich wird dadurch systematisch undd aktiv verhindert.
In Österreich ist die Lage nicht anders. Zwar werden Abschiebezahlen veröffentlicht, nicht jedoch die tatsächlichen Gesamtkosten pro Fall. Die politische Debatte operiert damit im Blindflug. Jeder gescheiterte Rückführungsversuch verlängert die Abschiebehaft, bindet Personal über Monate hinweg und erhöht die Kosten, ohne das zugrunde liegende Problem zu lösen.
Warum internationale Vergleiche fehlen
Der Mangel an Vergleichszahlen ist kein Zufall, sondern strukturell bedingt. Staaten wie Deutschland, Frankreich, Italien oder die Niederlande weisen zwar Gesamtbudgets für Rückführungen aus, vermeiden jedoch konsequent die Umrechnung auf einzelne Fälle. Gerade Länder mit niedrigen Rückführungsquoten hätten dabei wenig zu gewinnen: Je weniger erfolgreich Abschiebungen sind, desto höher steigen die Kosten pro tatsächlich abgeschobener Person.
Wo solche Zahlen dennoch bekannt werden, geschieht dies meist unfreiwillig – durch parlamentarische Anfragen, Rechnungshofberichte oder politische Großprojekte, die öffentliche Aufmerksamkeit erzwingen. Das Vereinigte Königreich ist dafür das bekannteste Beispiel. Hier wiederum wurde erst durch detaillierte Auskünfte zu einzelnen Charterflügen alles halbwegs transparent. Für den Großteil Europas bleibt der tatsächliche Preis der Abschiebepolitik jedoch im Dunkeln.
Das erschwert nicht nur die politische Bewertung, sondern verzerrt auch die öffentliche Diskussion. Abschiebungen erscheinen als administrativer Vollzug, nicht als hochpreisige Maßnahme mit erheblichem Ressourceneinsatz.
Das eigentliche Fazit liegt daher an einer vorgelagerten Stelle. Solange sich die politische Debatte auf effizientere Abschiebungen konzentriert, bleibt sie im Symptombereich. Die entscheidende Frage ist, wie viele Menschen überhaupt erst in das Asyl- und Rückführungssystem gelangen. Jeder zusätzliche Fall verursacht Kosten – für Unterbringung, Verfahren, Betreuung und schließlich für Abschiebungen, die häufig nicht durchführbar sind.
Eine langfristig tragfähige Politik müsste daher darauf abzielen, irreguläre Migration möglichst früh zu begrenzen. Funktionierende Grenzsteuerung, belastbare Rückübernahmeabkommen und eine realistische Migrationspolitik sind keine Frage der Symbolik, sondern der fiskalischen Vernunft. Die Episode von Nairobi zeigt, wie teuer es wird, wenn diese Einsicht zu spät kommt.