Nach intensiven und teils kontroversen Beratungen haben sich die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union auf ein neues Modell zur finanziellen Unterstützung der Ukraine verständigt.
In den frühen Morgenstunden nach einem stundenlangen Gipfel in Brüssel beschlossen die 27 Mitgliedstaaten, dem von Russland angegriffenen Land in den Jahren 2026 und 2027 einen Kredit in Höhe von insgesamt 90 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen. Die Finanzierung erfolgt nicht unmittelbar über eingefrorene russische Staatsvermögen, sondern über gemeinsame Schulden der EU – abgesichert durch den EU-Haushalt.
Konkret soll die EU-Kommission einen zinslosen Kredit aufnehmen, den die Ukraine erst dann zurückzahlen muss, wenn Russland Reparationen für die seit 2022 verursachten Kriegsschäden leistet. Bis dahin bleiben die in der EU eingefrorenen russischen Staatsguthaben in Höhe von 210 Milliarden Euro unangetastet. Diese Vermögenswerte dienen nach dem Willen der EU jedoch als Sicherheit im Hintergrund: Sollte Moskau keine Entschädigungszahlungen leisten, behält sich die Union ausdrücklich vor, die eingefrorenen Gelder zur Rückzahlung der Kredite heranzuziehen.
Merz: Budgets der EU-Staaten werden nicht belastet
Bundeskanzler Friedrich Merz sprach von einer veränderten Reihenfolge, nicht von einem grundsätzlichen Kurswechsel. Man greife zunächst auf Kredite zurück, während Russland letztlich dennoch für die Kosten des Krieges aufkommen müsse. Die nationalen Haushalte würden dadurch nicht unmittelbar belastet, da die Finanzierung über die Europäische Union laufe. Auch EU-Ratspräsident Antonio Costa betonte, dass die russischen Vermögenswerte weiterhin eingefroren blieben, bis eine Entschädigung erfolgt sei.
Die EU-Kommission hatte den Finanzbedarf der Ukraine für die beiden Jahre auf 90 Milliarden Euro beziffert. Nach Angaben aus Brüssel könnten die ersten Mittel bereits ab Mitte Januar bereitgestellt werden. Möglich wird das Modell durch die Nutzung von Spielräumen im EU-Haushalt, der jährlich über finanzielle Puffer verfügt, gegen die Kredite aufgenommen werden können.
Ursprünglich hatte insbesondere Deutschland darauf gedrängt, die in der EU eingefrorenen russischen Staatsvermögen direkt für die Ukraine zu nutzen. Dieser Plan scheiterte jedoch am Widerstand mehrerer Mitgliedstaaten. Vor allem Frankreich und Italien lehnten es ab, für mögliche finanzielle und rechtliche Risiken einzustehen. Zuvor hatte bereits Belgien Vorbehalte geäußert und auf Gefahren für das Finanzinstitut Euroclear verwiesen, das einen Großteil der russischen Vermögenswerte verwaltet. Brüssel fürchtete mögliche russische Vergeltungsmaßnahmen, etwa Enteignungen europäischer Unternehmen.
Viktor Orbán: Das Geld ist verloren
Der nun gefundene Kompromiss kam zudem nur im Rahmen einer sogenannten verstärkten Zusammenarbeit zustande. Ungarn, die Slowakei und Tschechien beteiligen sich nicht an dem Finanzierungsmodell. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán kritisierte die Entscheidung scharf und erklärte, das Geld sei verloren. Für Ungarn sei entscheidend, nicht Teil der Vereinbarung zu sein.
Bundeskanzler Merz hingegen sprach von einem politischen Signal an Moskau. Kurz nach der Einigung erklärte er, Europa habe deutlich gemacht, dass sich der Krieg für Russland nicht lohnen werde. Die eingefrorenen Vermögenswerte blieben ein Druckmittel, bis Russland für die angerichteten Schäden aufkomme.
(dpa/RS)